Die heute (noch) genutzte Eisenbahnbrücke
mit vier Geleisen, zwei für
den Nah- und S-Bahn-Verkehr, zwei
für den Fernverkehr, steht
eigentlich unter Denkmalschutz.
Sie wurde 1911 bis 1914 errichtet,
und war bei Bauabschluss die "größte
Betonbrücke der Welt", wie
es in zeitgenössischen Zeitungsberichten
heißt. Der anschließende
Tunnel neben dem Schloss Rosenstein
war zeitgleich in offener Bauweise
entstanden, von oben, vom Rosensteinpark,
in den Berg vertieft, und anschließend
mit einem Gewölbe versehen
und mit Erdschichten abgedeckt worden
- im Gegensatz zum ersten Rosensteintunnel
daneben, der 1844 bis 1846 unter
der Mitte des Schlosses bergmännisch
von beiden Enden kommend durch den
Berg getrieben worden war, wobei
es auch zu Todesfällen kam.
Die heutige Rosensteineisenbahnbrücke
ist die dritte Brücke an diesem Übergang,
die erste (aus Holz und Stein) stand
bis 1858 und wurde dann durch eine
gusseiserne Brücke ersetzt.
Architekt der insgesamt 244,03 m
langen Brücke mit ihren sieben
markanten Bögen zwischen 16
und 61,6 m Weite war Martin Mayer,
der auch das Empfangsgebäude
des Bahnhofs Stuttgart-Cannstatt
entworfen hat, dessen Bau 1921 abgeschlossen
wurde. Die Brücke beschreibt
einen Radius von 500 Metern, mit
einem regelmäßigen Gefälle
von 5,6 Promille in Richtung Bad
Cannstatt. Im Sommer 1911 begannen
die Bauarbeiten zunächst auf
der Cannstatter Seite, am linken
Widerlager wurden die Arbeiten im
April 1912 aufgenommen. Aufgrund
ungünstiger Witterung mussten
sie im Herbst 1913 unterbrochen
werden und wurden schließlich
im Frühjahr 1914 abgeschlossen.
Die Baukosten betrugen 1,6 Millionen
Mark (heute etwa 14 Millionen Euro).
Am 25. November 1915 wurde die Brücke
gemeinsam mit dem Rosensteintunnel
in Betrieb genommen. Danach konnte
die alte Eisenbahnbrücke über
den Neckar abgebrochen werden, der
alte Rosensteintunnel wurde stillgelegt.
Wenn man die mittleren Bögen
der Brücke genauer betrachtet,
erkennt man dass sie weniger verziert
sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde
1944 auch die Rosensteinbrücke
getroffen, schließlich sprengten
die Deutschen am Morgen des 21.
April 1945 die beiden mittleren
Bögen vor dem Einrücken
alliierter Truppen. Ab 9. Mai 1945
verband eine US-amerikanische Pionierbrücke
die beiden Neckarufer auf Höhe
des Bahnhofs Bad Cannstatt. Zwischen
dem 23. November 1945 und dem 13.
Juli 1946 war ein Pendelverkehr
zwischen Stuttgart Hauptbahnhof
und der provisorischen Einstiegsstelle
Rosensteintunnel (Streckenkilometer
2,2) eingerichtet. Am 13. Juni 1946
wurde schließlich eine eingleisige
Behelfsbrücke zwischen den
erhaltenen Bögen in Betrieb
genommen. Seit 1949 stehen wieder
vier Geleise für den Verkehr
zur Verfügung. Die Zukunft
der jetzt alten und nach Inbetriebnahme
von S21 auch obsolet gewordenen
Eisenbahnbrücke ist ungewiss.
Es gibt Überlegungen, die Brücke
für Radfahrer und Fußgänger
zu erhalten, teilweise umzubauen
und ähnlich der "High Line" in
New York als öffentliche Anlage
einer neuen Nutzung zuzuführen.
Die neue Rosensteineisenbahnbrücke
mit ihren nach oben ausgreifenden
Bögen, die leider die früher
offene Aussicht auf Schloss und
Park Rosenstein für eine Reihe
von Ansichten fortan behindern,
ist Stand Frühjahr 2020 ist
großen Teilen fertiggestellt.
Gerade entsteht der Fußgänger-
und Radfahreruntersteg unter der
eigentlichen Eisenbahnebene der
neuen Brücke. So etwas gab
es schon 1846, jedoch wurde es damals
rasch wieder aufgegeben. Die Störungen
durch Rauch, Dampf und Lärm
durch die über den Köpfen
der Brückenpassanten dahineilenden
Züge waren einfach zu groß.
Lieber Cannstatterinnen und
Cannstatter, liebe Freunde
dieses Bad Cannstatt-Vlogs,
heute sind wir wieder, zum
bislang dritten Mal, auf dem
Steigfriedhof (vgl. die Videos
Nr. 36) - Steigfriedhof_1 und
41) Steigfriedhof_2 auf diesem
Cannstatt-Video-Blog). Wir
widmen uns zum einem dem Familiengrab,
in dem der vermutlich erste
Siedler der Altenburgquartiers
(vgl. das Video Nr. 35) hier
auf diesem Bad Cannstatt Kanal)
und einer der letzten Zeitzeugen
des berühmten Cannstatter "Mondlöschereinsatzes" von
der Ostersamstagnacht (also
eigentlich Karsamstagsnacht)
1887 begraben liegt, nämlich
Christian Peter. Und seine
Enkelin Magdalene Feinauer,
der ich viele Einblicke in
das Leben auf der Altenburg
und in Cannstatt verdanke.
Ihr, die 2016 mit 95 Jahren
starb, widme ich - in dankbarer
Erinnerung - dieses Video.
Im Video erwähne ich auch
das Rundfunkinterview, das
die Rundfunkpionierin Sophie
Tschorn (1891-1975) 1937 mit
ihrem Vater Christian Peter
für den Reichssender Stuttgart
aus Anlass des 50jährigen
Jubiläums des Einsatzes
führte und von dem der
Verein Pro Alt-Cannstatt 2012,
zum 125jährigen Jubiläum
des Einsatzes, eine digitale
Kopie der in verschiedenen
Familienzweigen seiner Nachfahren
aufbewahrten Schellackplatten
anfertigen lief. Die weiteren
5 Familiengräber bei unserer
kleinen Friedhofsführungen
vereint ein gemeinsames Thema,
die Erinnerung an gefallene
Söhne, Familienmitglieder,
die bei einem Grab im Zweiten
(Familie Schanz), bei allen
vier anderen aber im Ersten
Weltkrieg starben. So das Familiengrab
des Oberpräzeptors (Oberlehrers)
Heinrich Dinkel und seiner
Frau, die eine Gedächtnistafel
für ihre beiden 1916 und
1918 umgekommenen Söhne
auf dem Grabstein anbrachten.
So das aufwändige gestaltete
Grab für Werner Kübel,
der am Silvestertag 1915 mit
24 Jahren fiel. Dazwischen
betrachten wird auch das Familiengrab
der bekannten Weinhändler-
und seit den 1930er Jahren
Sektherstellerfamilie Rilling,
mit einer sinnierenden Trauernden
des Cannstatter Bildhauers
Emil Kiemlen. Sowie schließlich
das Grab der Familie Hegele,
die um 1900 eine Bäckerei
in der Marktstraße (zwischen
Wilhelmsbrücke und Stadtkirche;
heute ist dort eine Eisdiele)
betrieb und von deren vier
Söhnen die drei Jüngeren
alle die Ersten Weltkrieg starben.
Und denen seit damals mit einer
liegenden Platte gedacht wird.
Nur der älteste Sohn,
Adolf Hegele (1880-1960), später
Gewerbeschullehrer in Cannstatt, überlebte
den Krieg, ebenso seine Offizierskiste,
die seit 2016 im Obergeschoss
des Stadtmuseums Bad Cannstatt
ausgestellt ist - gestiftet
von seinem Neffen Alfred Gann,
Sohn der einzigen Tochter der
Bäckersfamilie, die ihre
beiden Söhne nach zwei
ihrer gefallenen Brüdern
benannte (danke, lieber Herr
Gann für die vielfältige
Unterstützung des Museums
und des Vereins Pro Alt-Cannstatt
durch Objekte, Geschichten
und Mitgliedschaft).
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
dieses Video entstand an einem Sonntagmorgen
im Mitte März 2020, wie Sie
an der Vegetation erkennen können,
die meisten Bäume hatten noch
kein oder erst kaum sichtbares Laub.
Der Blick geht vom Rosensteinpark,
unterhalb der Neckarseite des Schlosses,
auf das Neckarknie. Eine der beliebtesten
Aussichten auf Bad Cannstatt in
den letzten 500 Jahren, die ältesten
Darstellungen, freilich sehr summarisch,
aus dem 16. Jahrhundert, zeigen
genau diesen, dieses Halbpanorama...
den auch der Basler Kupferstecher
Matthäus Merian im 17. Jahrhundert
wählte, um die wohl bekannteste
Stadtansicht der Amtsstadt am Neckar
zu machen... die bis heute vielfach
verwendet wird, z.B. lange auch
als Untergrund bei den Weinetiketten
der nun privatisierten und mit Besigheim
fusionierten ehemaligen Weingärtnergenossenschaft
Bad Cannstatt - schade drum, schon
aus dem Titel Bad Cannstatt herauszunehmen,
obwohl der "Cannstatter Zuckerle" eine
der ältesten, seit dem Späten
Mittelalter immer noch gleich benannten
Weinlagen ganz Württembergs
ist und sich "Weinfactum" zu nennen,
war ein Marketingversuch, der sich
als Fehler erweist, weil damit der "Markenkern" verloren
ging... das ist meine persönliche
Meinung, aber auch die vieler anderen
Bad Cannstatter, mit denen ich so
zusammenkomme im Ehrenamt oder Beruf.
Der Blick vom Kahlenstein, wie die
Anhöhe über dem Neckarknie
bis in die 1820er Jahre hieß,
ist also ein Standardblick auf Cannstatt.
Schon Schiller und sein Verleger
Cotta waren hier oben und sprachen über
die Herausgabe eine besonderen Zeitschrift.
Um 1800 gab es hier einen Aussichtspunkt,
den Herzog Friedrich, später
König Friedrich hatte anlegen
lassen. Und an den Hängen des
noch völlig anders gestalteten
Berges waren Weingärten angelegt.
Mit dem Bau des Schlosses Rosenstein,
benannt nach der Lieblingsblume
von König Wilhelms I. zweiter
Frau Katharina, wurde auch der Rosensteinpark
angelegt, das Gelände einplaniert
(u.a. waren Sträflinge an diesen
Arbeiten beteiligt) und auch die
Weinberge aufgegeben, der Neckar
etwas weiter weg vom Abhang verlegt
und der Hang, auch mittels Sprengstoff,
neu gestaltet, gleichzeitig die
unten entlanggehende Landstraße
nach Stuttgart neu trassiert. Weitere
Umgestaltungen kamen 1844 bis 1846
mit dem Bau des ersten, heute noch
weitgehend erhaltenen Rosenstein-Eisenbahntunnels,
und einer dazugehörigen Brücke.
Beide wurden im September 1846 ihrer
Bestimmung übergeben. Die nächste
Eisenbahnbrücke, nicht mehr
aus Holz und Stein, sondern aus
Eisen, wurde 1858 angelegt, diese
dann später durch die 1911
bis 1914 etwas flussaufwärts
daneben errichtete neue Eisenbahnbrücke,
die bis heute ihren Dienst tut,
ersetzt (vgl. Cannstatt-Film Nr.
50) hier). Nun sind die neue Eisenbahnbrücke,
die ihm Rahmen der Baumaßnahmen
von S21 und auch der neue Eisenbahntunnel
so gut wie fertig. Der Neckar wurde
Ende der 20er Jahre umgestaltet
im Rahmen des Hochwasserschutzes
und eines Ausbaus als Wasserstraße,
damals verschwand die idyllischer
Berger Insel, die sich bei weit
unter das Schloss hinzog, und der
Neckar wurde tiefer gelegt, begradigt
und Wälle und Mauern errichtet.
Mitte der 1970er Jahre wurde im
Rahmen der Bundesgartenschau 1977
auch der bis dahin nahezu ebene
Seilerwasen, die alte Arbeitsstätte
der Cannstatter Seiler (vgl. "Reeperbahn" in
Hamburg; siehe hier Film Nr. 45)
auf dem Cannstatt-Vlog), mit Bauschutt
und anderem landschaftlich hügelig
gestaltet, wie er sich bis heute
zeigt, auch eine überdachte
Holzbrücke entstand, die den Übergang
zur Wilhelma schuf, und leider nun
auch wieder der Vergangenheit angehört.
Diese klassische Ansicht Bad Cannstatts
also hat sich immer wieder verändert,
auch die jetzige Ansicht ist ein
Zwischenstadium, das bald schon
wieder Geschichte sein wird.
Kommen
Sie / Kommt alle gut durch diese
Tage,
Ihr / Euer Olaf Schulze
Manch Radfahrer, Jogger, Passant
denkt vielleicht, wenn er hier
am rechten Neckarufer entlang
kommt, Hoppla, war dieser seltsame
Krieger da eben, mit dem geflügeltem
Helm und dem Schild, nicht Asterix?
Und dann noch, wie zu den Videoaufnahmen
(am 20. März), in "voller
Kriegsbemalung", dort unter
König-Karls-Brücke
gibt es ja Flächen, auf
denen sich die Sprayer verwirklichen
dürfen, und manchmal hinterlassen
sie ganz beeindruckende Motive,
ja Kunstwerke. Dass die immerhin
schon 120 Jahre alte Figur,
die sogar mit einer anderen
den Zweiten Weltkrieg überstanden
hat, immer wieder farblich umgestaltet
wird, tut dieser Figur und ihrem
Stein nicht gut. Und natürlich
ist der vermeintliche Gallier
ein "echter" Germane, und stellt
den "Wehrstand" (also die Landesverteidigung,
der Bürgerheer, und wenn
man so will das Kriegerische
der Deutschen/Württemberger
in der Wilhelminischen Epoche
dar). Als die König-Karls-Brücke
am 27. September 1893 feierlich
unter Beteiligung von Honoratioren
beider Städte eingeweiht
wurde, wurde sie als "die schönste
Brücke des Landes" gefeiert.
Sie verband auf kürzest
möglichem Wege die alte
Oberamtsstadt Cannstatt und
die nicht ganz so alte Residenzstadt
Stuttgart, die dann elfeinhalb
Jahre später, zum 1. April
1905 (kein Scherz) auch eine
Städteehe eingingen. Fast
zehn Jahre hatten die Verhandlungen
gedauert, bis Cannstatt bereit
war, seine Selbständigkeit
aufzugeben. 1,3 Millionen kostete
damals die Brücke, am Schluss
fehlten 30.000 Mark, um die
an den vier Pylonen der Brücke
von vorneherein geplanten symbolischen
Figuren (Landwirtschaft, Handel,
Gewerbe und Wehrstand) gleich
zur Einweihung in Stein auszuführen.
So schuf der beauftragte Bildhauer
Adolf Fremd (1853-1924) erst
einmal die Figuren aus Leinwand,
Gips und Holz, so dass sie zur
Einweihung fertig waren... und
Fremd gelang das Kunststück
in nur einer Woche (!).
Folgen wir dem Text aus Wikipedia
(https://de.wikipedia.org/wiki/König-K... dort
auch Bilder der Provisoren): "Schon
einen Tag später, am 28. September
1893 bemerkte der Staatsanzeiger
für Württemberg: 'Gerade
dieser hervorragende Künstlerische
Schmuck aber ist bis jetzt ein Ding
der Vergänglichkeit und kann
(…) höchstens wenn’s
gut geht den Winter überdauern'.
Zwar war es damals durchaus üblich
die Ausschmückung der Bauwerke
erst nach der Fertigstellung anzubringen,
allerdings dauerte es der Bevölkerung
deutlich zu lange und die Staatsregierung
handelte sind einige Kritik ein.
Schließlich strömte damals
das Volk aus allen Landesteilen
zum alljährlichen Cannstatter
Volksfest. Die lokale Presse veröffentlichte
Spottgedichte, zahlreiche kritische
Artikel und fragte verzweifelt,
ob sich denn nicht einer der vielen
Stuttgarter Millionäre erbarmen
und eine der Skulpturen stiften
würde, nachdem die Regierung
offensichtlich nicht willens war,
diese zu finanzieren. Die 'Schwäbische
Kronik' bat im Februar 1896: 'Für
die vier in abgerissenen Gewändern
bei Sturm und Wetter, Tag und Nacht
an der Brücke sitzenden Gestalten
wird um abgetragene Kleider und
Schuhwerk gebeten.' Aber auch die
Stadt Stuttgart und (…) Cannstatt
beeilten sich nicht, diesen Zustand
zu ändern, wie das Neue Tagblatt
bemerkte. Tatsächlich wurde
dann die Ausschmückung der
König-Karls-Brücke von
Privatleuten finanziert. Im Januar
1897 stellte Hermann Werner, Inhaber
der Cannstatter Firma Werner & Pfleiderer,
7.500 Mark für die Skulptur
'Landwirtschaft' zur Verfügung.
Karl von Leibbrand [der Architekt
der Brücke; OS] beauftragte
im Juli Adolf Fremd mit der Ausführung
der Figur in „bestem weißen
Heilbronner Werkstein“. Adolf
Fremd konnte Karl von Leibbrand
jedoch davon überzeugen, alle
Skulpturen in elfenbeinfarbigem
Kelheimer Kalkstein auszuführen.
Der Kelheimer Kalkstein, auch bekannt
als 'bayerischer Marmor', harmonierte
eher mit dem 'tiefrothen Sandstein'
der Brücke. Die Figur „Handel“ wurde
1898 durch eine Schenkung des Kaufmanns
Heinrich Meyer in Höhe von
9.000 Mark finanziert. Die Aufstellung
der beiden Figuren verschlimmerte
die Situation allerdings eher noch,
da den zwei weiblichen Figuren schlichtweg
die „Männer fehlten“,
also die Pendants am gegenüberliegenden
Pylon. Das 'Neue Tagblatt' hörte
die Frauen jammern: 'Auch von Stuttgarts
Millionären mag nicht einer
mir bescheren, was ich brauch à tout
prix: Einen Mann zum vis-a-vis!'
Die 'Cannstatter Zeitung' kritisierte
dies ebenfalls im Dezember 1899
und nannte die unvollständige
Aufstellung einen echten „Schwabenstreich“,
was aber die Aufstellung der beiden
Figuren im März 1900 nicht
beeinflusste. Erst im Juni desselben
Jahres begann Adolf Fremd mit der
Skulptur „Wehrstand“ (...),
nachdem der Kaufmann August Scharrer
dem Cannstatter Oberbürgermeister
Oskar Nast ebenfalls 9.000 Mark
zugesagt hatte. Die letzte Figur
'Gewerbe' [heute auch erhalten bei
der Haltestelle "Mineralbäder;
OS] wurde von den Töchtern
Karl von Leibbrands, Martha Häbich
und Lilli Leibbrand, in Gedenken
an ihren Vater gestiftet", der 1898
verstorben war.
Vielleicht ist dies ja der letzte Überrest
einer der im Mittelalter existierenden
Cannstatter Burgen, zumindest hat
das kleine Gebäude, das da an
einer Staffelverbindung zwischen der
Altenburger Steige und der Haldenstraße
steht, die Anmutung einer mittelalterlichen
Burg, mit wehrhaften Mauern mit Rustica-Steinen,
wie sie auch an der 1910 eröffneten
Dragonerkaserne zu finden sind aus
gelbem und ein wenig roten Sandstein,
dazu einer Art Bekrönung nebst
einem leeren Wappenfeld. Auffallend
ist, dass das kleine Gebäude
zwei (zugemauerte und verputzte) Türen
hat... und was ist klein und hat zwei
Türen? Ein Aborthäuschen,
eine öffentliche Toilette. Sie
entstand wohl im Zusammenhang mit
der Neuanlage der Altenburger Steige,
die wiederum mit dem großen
Bauprojekt einer Dragonerkaserne auf
dem Hallschlag verknüpft war
(vgl. z.B. Film Nr. 20) auf diesem
Bad Cannstatt-Vlog). Auch die weiter
oben gelegenen Staffeln, die zum Steigfriedhof
bzw. von der halben Höhe der
Altenburger Steige zur Rommelstraße
führen, entstanden sämtlich
um 1910. Und heute? Wer von Ihnen
weiß zufällig, wann ungefähr
dieses öffentliche WC aufgegeben
wurde? Wer kann uns weitere Informationen
geben? Gerne in die Kommentare hier
oder an olafwschulze@gmx.de (bitte
das kleine "w" zwischen Vor- und
Nachnamen nicht vergessen, sonst bekommt
es ein norddeutscher SPD-Bürgermeister
gleichen Namens... und der weiß mit
Cannstatt nichts anzufangen). Vermutlich
haben wir hier eines der letzten öffentlichen
Toilettenhäuschen der Zeit vor
dem Ersten Weltkrieg in ganz Stuttgart
- das wäre mal ein eigenes "Forschungsprojekt".
Nicht? Wenn schon Klorollen so gefragt
waren (sind), warum dann nicht aus
die Häusle, in denen mann und
frau sie gebraucht, beschmutzt, zusammenknüllt,
hinabspült...
In diesem Sinne, haben Sie, habt,
trotz allem, möglichst gute Tage.
Olaf Schulze
Der heutige kleine Video-Spaziergang
beginnt in einer kleinen Grünanlage
an der Aachener Straße in
der westlichen Neckarvorstadt. Und
führt über den "Mahle-Brunnen" zu
einem römischen Quellnymphenrelief
in der Duisburger Straße,
das Thema "Wasser" ist also heute
das verknüpfende Band. 1988
wurde von der in der Nachbarschaft
liegenden Firma Mahle der "Mahle-Brunnen" gestiftet,
der nach dem künstlerischen
Entwurf der Bildhauerin Barbara
[Glanzel-]Westphal (geb. 1942) gestaltet
wurde und aus zwei Stein-Stelen
unterschiedlicher Höhe besteht,
die mit einem Wasserlauf verbunden
sind. In der Duisburgerstraße,
nicht weit von deren Mündung
in die Brückenstraße,
ist auf Kniehöhe, meist gut
verdeckt durch parkende Autos, ein
römisches Relief aus der Zeit
um 200 n.Chr. mit zwei Quellnymphen
zu entdecken (materialgleiche Kopie).
Im Umfeld des Abbruchs und des Neubaus
mit Tiefgarage der Gebäude
Brückenstraße 23/23 A
(Kies Epple) konnten in drei Kampagnen
von Oktober 1983 bis September 1985
drei römische Zisternen des
vicus im Tal gefunden werden, in
denen sich Gebrauchskeramik, Amphorenscherben
und Bronzebeschläge fanden.
Herrn Ferdinand Dzierzawa (Bad Cannstatt)
ist die Bergung dieses Reliefs zu
verdanken, das in einer der drei
Zisternen gefunden wurde. Es ist
grob gearbeitet, aber im Ganzen
gut erhalten. Die zwei fast nackten
Quellnymphen sitzen mit übergeschlagenen
Beinen neben einem Gefäß,
aus welchen Wasser fließt.
Eine weitere Kopie ist im Stadtmuseum
Bad Cannstatt (Erdgeschoss) zu finden.
Unser heutiges Video führt uns
in die Brückenstraße in
der Neckarvorstadt, und zwar genauer
zur katholischen Kirche St. Martin,
institutionell die Nachfolgerin der
Urkirche des mittleren Neckarraums.
Bereits um 600 hat es wohl eine Martinskirche
im Bereich auf der Steig, bei der
Altenburg gegeben. Ihre Lage wird
mit dem östlichen Teil des heutigen
Steigfriedhofs am Sparrhärmlingweg
gleichzusetzen sein. Sie war nicht
nur die Urpfarre des Stuttgarter Raums,
sondern auch die Kirche des am Ende
des Mittelalters wüst gefallenen
Ortes Altenburg, der urkundlich nachweisbar
ist. Um 1500 war der Ort verlassen,
die Kirche in einem sehr schlechten
Zustand, zu dass man die Kirche in
die Brückenstraße, die
Neckarvorstadt verlegte; zwischen
1506 und 1516 geschah dies. Doch schon
30 Jahre später, mit der Einführung
der Reformation in Württemberg,
wurde diese Kirche aufgegeben und
in den nächsten Jahrhunderten
verschiedenen Nutzungen z.B. als Lagerraum,
Scheuer, zugeführt. Erst ab 1840/1850,
als in Cannstatt auch immer mehr Katholiken
lebten und der Wunsch nach einem eigenen
Kirchengebäude immer drängender
wurde, suchte die langsam wachsende
katholische Gemeinde nach einem geeigneten
Gottesdienstraum. Am 20. Juli 1851
wurde in der Sakristei der evangelischen
Stadtkirche zum ersten mal nach 300
Jahren wieder die heilige Messe gefeiert,
im August des gleichen Jahres wurde
Karl Breitenbach als erster eigener
kath. Geistlicher durch das Bischöfliche
Ordinariat angestellt. Gefördert
wurde die junge Gemeinde von Hofrat
Dr. von Heine, dem berühmten
Orthopäden der Stadt, wurde ein
unermüdlicher Laienprediger neben
seiner Ärztetätigkeit in
der eigenen Klinik und auch ein großer
Stifter. Mit anderen Cannstatter Katholiken
suchte er um eine Audienz bei König
Wilhelm I nach und bat um Überlassung
der alten Martinskirche, nun "finanzkammerlicher
Fruchtkasten", für die erste
neue katholische Kirche in Cannstatt.
Und der König gab sogar noch
5000 Gulden aus seiner Privatkasse.
Architekt des völligen Umbaus
in neogotischen Stilformen war der
Stuttgarter Joseph von Egle (1818-1899),
die Weihung fand am 8. Juli 1858 statt.
In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober
1944 wurde die Kirche schwer in Mitleidenschaft
gezogen. Ein Brand durch Stabbrandbomben
entstand und konnte letztlich nicht
gelöscht werden, da die Wasserleitung
durch des Feuerwehrschlauchs durch
einen Bombentreffer unterbrochen war.
Nur wenige Ausstattungstücke
konnten gerettet werden, bis die Decke
unter schrecklichem Getöse zusammenbrach
und die Kirche bis auf die Umfassungsmauern
abbrannte. Noch vor der Währungsreform
begann der Wiederaufbau, dessen erster
Abschnitt am 8. Juli 1948 mit der
neuen Altarweihe abgeschlossen war.
Bis 1950 erfolgte ein weiterer Umbau,
der die im Wesentlichen erhaltene
neogotische Fassade von Egle zum Opfer
gebracht wurde. Noch heute kann man
unter dem Dachreiter von 1950 die
Verlängerung der Kirche um 2,5
m in Richtung Brückenstraße
erkennen, das Hauptportal wurde von
der Brückenstraße weg an
die Duisburger Straße versetzt.
2015 haben sich die drei ehemaligen
Gemeinden St. Ottilia in Stuttgart
Münster, St. Martin und St. Rupert,
Bad Cannstatt, freiwillig zur neuen
Gemeinde ()mit historischem Namen,
St. Martin, zusammengeschlossen. Seit
Beginn der 1960er Jahre ist dort auch
die italienische Gemeinde San Martino
beheimatet. Mit ihr und den katholischen
Gemeinden Liebfrauen und St. Peter,
bildet sie die katholische Gesamtkirchengemeinde
Stuttgart-Neckar. Der letzte Teil
des Films zeigt das nunmehr aufgegebene
Gemeindehaus gegenüber der Kirche
mit einem interessanten Wandbild.
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
Freunde dieses Video-Blogs, heute
geht es um ein Stück Industriegeschichte,
angesiedelt in der Neckarvorstadt.
In der ab 1830 ausgebauten und nach
dem Hallgebäude an der Pragstraße
benannten Hallstraße haben
sich ab der Mitte der 19. Jahrhunderts
nicht nur Weingärtner und Arbeiterschichten
(nicht die untersten) angesiedelt,
sondern auch eine ganze Reihe von
Firmen. Manche entwickelten sich
aus kleinsten Cannstatter Anfängen,
andere wurden z.B. in Stuttgart
geboren, Cannstatt hatte aber für
die Weiterentwicklung eines Betriebes
bis zur mittleren Größe
ein besseres (Arbeitskräfte-
und Fabrikräume- und Verkehrs-)
Potential als das im Nesenbachtal
eingekesselte Stuttgart, und so
wurden sie hier für einige
Jahre oder Jahrzehnte groß,
bis sie sich an anderen Orten, außerhalb
Stuttgart-Bad Cannstatts, eine neuere
Bleibe suchten, mit noch mehr Expansionspotential.
So war es bei der Schokoladenfabrik
Ritter, die 1912 in Stuttgart-Cannstatt
gegründet wurde und 1930 nach
Waldenbuch ging, und so war es bei
der Firma Rüsch, die als erste
Firma in Deutschland antiseptische
Katheter herstellte und dann nach
Rommelshausen umzog. Und so war
es bei vielen anderen Firmen. Und
eben auch bei diesen zwei, heute
noch durch ihre Produkte zumindest
bundesweit (wenn nicht europa- und
weltweit) bekannten Firmen: Stihl
und Ackermann + Schmitt. Die Firma
Stihl hatte zum Beispiel in den
1930er Jahren in ihrem Cannstatter
Betrieb im Hinterhaus der Hallstraße
65 auch Waschmaschinen, Waschtrommel
hergestellt. Heute sind es Hochdruckreiniger,
Forstgeräte wie Motorsägen
und Geräte für die Bauwirtschaft.
1926 in Stuttgart von Andreas Stihl
(1896-1973) gegründet, kam
die Firme zunächst 1930 nach
Stuttgart-Cannstatt an die Hallstraße,
bevor 1944 nach einem verheerenden
Bombenangriff auf die Neckarvorstadt
die Produktion, und 1952 schließlich
auch der Firmensitz nach Waiblingen-Neustadt
verlegt wurde. Die Firma agiert
weltweit und ist seit 1971 Weltmarktführer
von Motorsägen (mit einem Jahresumsatz
von knapp 3 Mrd. Euro im Jahr 2014,
laut Wikipedia). Sinnigerweise an
fast gleicher Stelle begann schon
am 7. Dezember 1922 die Geschichte
der "Flex" im Rückgebäude
des Hauses Hallstraße 67.
Damals gründeten Hermann Ackermann
und Hermann Schmitt eine Firma,
um eine Handschleifmaschine zu bauen,
die sie gemeinsam erfunden hatten.
Sie entwickelten später daraus
den Trennschleifer mit flexibler
Welle (daher der Name) und brachte
diesen ab 1954 auf den Markt - eigentlich
ein Winkelschleifer, der auch Trennschleifer, "Trennjäger", "Trennhexe", "Schleifhexe", "Feuerradl" oder
eben "Flex" genannt wird, was sich
in Deutschland zu einem Markennamen
entwickelte. Das Unternehmen zog
bereits zwei Jahre nach seiner Gründung,
1924, in die Reichenbachstraße
um, dann an den Kanonenweg (heute
Haußmannstraße) und
später von Stuttgart nach Steinheim
a.d. Murr um, wo die Firma noch
heute existiert.
Liebe Cannstatterinnen, liebe Cannstatter,
Freunde und Follower dieses Bad
Cannstatt-Vlogs, schon das 58. Thema
in Folge über Bad Cannstatt...
fast zwei Monate, und noch keine
Ende in Sicht. Das aktuelle Video
führt uns erneut an den Rand
der Neckarvorstadt, an einen kleinen
Weinberg mit einer besonderes Geschichte,
die man(n) und frau, wenn er oder
sie aufmerksamen Auges ist, zumindest
erahnen kann. Bei genauerer Betrachtung
des Weinbergs unterhalb des Altenburgheims
des städtischen Wohlfahrtswerks
und oberhalb der Altenburger Steige,
die hier von der Kreuzung Halden-
und Brückenstraße aus
den Weg in Serpentinen nach oben
zum Steigfriedhof und zum Hallschlag
beginnt, wundert man sich vielleicht,
warum ein Weinberg einen so seltsamen "Kamin" mittendrin
aufweist. Ein Kamin ist es nicht,
aber ein Luftschacht zur Belüftung
des Luftschutzstollens, der im Zweiten
Weltkrieg über eine stattliche
Länge parallel zur Haldenstraße
zum Schutz der Bevölkerung
vor Bombardierung in den Berg getrieben
wurde. Dieser Stollen hatte mehrere
Aus- bzw. Eingänge und verband
auch Firmen, die an der Bergseite
der Haldenstraße lagen. Hier,
am Beginn der Altenburger Steige,
ereignete sich auch die Panik beim
Luftangriff vom 15./16. März
1944, bei dem 23 Menschen, darunter
12 Kinder, auf tragische Weise ums
Leben kamen (vgl. Video Nr. 41)
hier auf diesem Bad Cannstatt-Vlog
zu Kinder-Gräbern auf dem Steigfriedhof).
Wer sich für die Luftschutzbauten,
Hoch- und Tiefbunker Stuttgarts
und seiner Teilorte interessiert,
findet die besten Informationen
beim in Stuttgart-Feuerbach angesiedelten
Verein Schutzbauten Stuttgart e.V.
(www.schutzbauten-stuttgart.de;
Ansprechpartner ist Herr Rolf Zielfleisch;
info@schutzbauten-stuttgart.de).
Zum Stollen, der insgesamt 2000
Menschen fassen konnte und im Bereich
der Haldenstraße von den Anwohnern
auch als "Gotthardbunker" bezeichnet
wurde, finden Sie hier weitere Angaben:
www.schutzbauten-stuttgart.de/de-de/bauwerke/stollen/bw27brückenhaldenstraße.aspx
(zudem dort auch eine weitere Seite
zur Panik vom März 1944 mit
Zeitzeugenberichten). Sehr geehrter
Herr Zielfleisch, Ihnen und all
Ihren Mitstreitern innerhalb und
außerhalb Feuerbachs und Ihrer
wichtigen Erinnerungsarbeit an eines
der dunkelsten Kapitel der Stuttgarter
Stadtgeschichte widme ich diesen
kleinen Videobeitrag, bleiben Sie
alle gesund und der Stadt Stuttgart
mit Ihrem Engagement erhalten.
Olaf Schulze
Liebe Freunde und Followerinnen und
Follower dieses Bad Cannstatt-Video-Blogs,
heute einmal eine Sonderfolge, gestern
Abend am Esstisch in unserer Wohnung
in der Cannstatter Schönestraße
produziert, eine Folge aus Anlass
meines 55. Geburtstages am 12. Mai
2020 und auch als kleine interne "Feier" meines
15jährigen Engagements für
die Geschichte Bad Cannstatts. Damals,
im Sommer 2005, schrieb ich für
die "Cannstatter Zeitung" eine "wir-füllen-das
Sommerloch"-Serie unter dem Titel "Cannstatts
Geschichte sehen lernen", vor allem über
Details an Fassaden (wie etwa die
Zimmer-mannszeichen am Klösterle)
oder über Besonderheiten einzelner
Straßenzüge (wie die Eisenbahnstraße
oder die Brückenstraße).
Zum Abschluss der Serie bot die "Cannstatter
Zeitung" mit mir eine Führung
an, die ich so vorgeschlagen hatte,
bei der die Leserinnen und Leser der
CaZe kostenfrei die behandelten und
auch andere Themen mit mir erlaufen
und "ersehen" konnten. Zum Abschluss
der Führung verteilte ich mein
erstes Führungsblatt für
das Winterhalbjahr 2005/2006 mit Führungen
durch Bad Cannstatt. "Cannstatts Geschichte
sehen lernen" war geboren (und entwickelt
sich bis heute).
2007 gelang der Kontakt zu Pro Alt-Cannstatt
und seinem ersten Vorsitzenden Hans
Betsch und - da im Stadtmuseum Bad
Cannstatt die Besucherzahlen deutlich
zurückgegangen waren - es entstand
der Gedanken einer von mir für
Pro Alt-Cannstatt kuratierten Postkartenaustellung
im Stadtmuseum. Seither arbeite ich
als "fester Freier" dort im Cannstatter
Stadtmuseum mit... und habe schon
18 Ausstellungen komplett alleine
oder zusammen mit Kolleginnen (wie
Claudia Weinschenk M.A., Stuttgart;
oder Dr. Rainer Redies, Bad Cannstatt
von der Cannstatter Solperstein-Initiative;
oder Hans Betsch für Pro Alt-Cannstatt
bzw. den Kübelesmarkt) entwickelt... über
viele Jahre unter der Leitung von
Dr. Manfred Schmid und seit einem
Jahr unter der Leitung seiner Nachfolgerin
Dr. Christiane Sutter. Mir zur Seite
stand unser Pro Alt-Cannstatt-Beiratsmitglied
und Lebenspartner seit bald 28 Jahren,
Matthias Busch... und ihm/Dir ist
dieser Film auch gewidmet. Das Video
zeigt eine Auswahl für unsere
Postkartensammlung (Busch/Schulte
bzw. Pro Alt-Cannstatt) relativ neu
erworbener Exemplare, die ich für
Sie, für Euch, liebe FollowerInnen,
im Video kommentiere.
Kommen Sie, kommt alle gut durch diese
seltsame Zeit.
Olaf Schulze
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
liebe Gäste der Stadt und Fans
des Cannstatter Stadtmuseums, mit
dem heutigen Mittwoch, den 13. Mai,
genau zwei Monate nach der vorübergehenden
Schließung des Stadtmuseums
Bad Cannstatt aufgrund der Verordnungen
des Landes Baden-Württemberg
zur Corona-Pandemie, beginnt wieder
ein zunächst noch stark eingeschränkter
Museumsbetrieb. Bis auf Weiteres hat
das Stadtmuseum Bad Cannstatt jeden
Mittwoch von 10 bis 13 Uhr und dann
noch einmal von 14 bis 17.30 Uhr geöffnet,
zusätzlich noch am Wochenende
zu den gewohnten Zeiten: Samstag von
14 bis 17 Uhr und Sonntag von 12 bis
18 Uhr. Der Wochendbetrieb wird von
Vorstands- und weiteren engagierten
Vereinsmitgliedern von Pro Alt-Cannstatt
ehrenamtlich aufrechterhalten. Im
Museum wurden einige Corona-bedingte
Veränderungen vorgenommen, so
ist derzeit kein Verkauf von Büchern
oder Kalendern möglich, es besteht
Mund- und Nase-Maskenpflicht, die
Besucher müssen sich am Eingang
die Hände desinfizieren und erhalten
Einweghandschuhe, außerdem dürfen
sich nur maximal drei Besucher zeitgleich
im Museum aufhalten bzw. eine Familie
(die zusammenwohnt). Der Besuch ist
auf das Erdgeschoss beschränkt,
hier können Teile der Dauerausstellung
wie das Stadtmodell und das Römerdiorama
besichtigt werden und die Sonderausstellung "Den
Römern auf der Spur - 125 Jahre
Archäologie in Cannstatt", die
bis zum 20. September 2020 verlängert
ist. Von nun an gibt es eine Besuchertoilette
und eine Personaltoilette (nicht mehr
geschlechtergetrennt). Führungen
und andere Aktionen im und um das
Museum können auch weiterhin
leider (noch) nicht stattfinden. Doch
ein Anfang ist gemacht. In den nächsten
Tagen werde ich in unregelmäßigen
Abständen Videos über das
Cannstatter Stadtmuseum auf diesem
Vlog hochstellen, die die Dauerausstellung
in einzelnen Clips vorstellen. Heute
beginne ich mit dem Untergeschoss.
Bleiben Sie / bleibt gesund,
Ihr / Euer Olaf Schulze
1. Vors. von Pro Alt-Cannstatt Historiker,
Kunsthistoriker und Trauerredner Mitkurator
der aktuellen Dauerausstellung "Cannstatt-Panorama" im
Stadtmuseum Bad Cannstatt, Klösterle-Scheuer,
Marktstraße 71/1
Das heutige Video ist eine thematische
Fortsetzung des Videos Nr. 56) hier
auf diesem Bad Cannstatt-Vlog. Es
geht diesmal um das Hauptportal der
kath. Martinskirche in der Neckarvorstadt.
Mit dem Wideraufbau und dm Abbruch
der neogotischen Hauptfassade und
der Erweeiterung der Kirche um 2,5
m zur Brückenstraße zu,
beschloss man, das Hauptprtal an die
ruhigere Südeite an die Duiosburger
Straße zu versetzen (beim heutigen
Hermann-Metzger-Platz; benannt nach
dem bekannten Bad Cannstatter Kunstmaler
(1896-1971), der in der Nähe
unmittelbar nach dem Krieg sein Wohnhaus
mit Atelier gebaut hatte (nicht mehr
erhalten). Leider fand ich in der
gängigen Literartur nicht den
Namen des Künstlers, der Künstlerin
der Bronzetüren; gestiftet und
ausgeführt wurden sie 1950 von
der Firma Lang & Schrack, eine
Bau- und Möbelschreinerei, die
sich damals in der nahen Rosenaustraße
6-8 befand und auch im Bereich Raumausstettung
tätig war. Dargestellt ist auf
den Bronzetüren links Eva, die
im Paradies gerade vom Baum der Erkenntnis
den Apfel pflückt, der Sündenfall
- deutlich ist die Schlange erkennbar.
Diesem alttestamentlichen Bild ist
eine der Kernszenen des Neuen Testaments
gegenüber gestellt, die Verkündigung
des Herrm vor der demütigen Magd
Maria durch den Erzengel Garbiel -
Maria ist die "zweite Eva" (und Jesus
Christus der "zweite Adam". Wer kann
mir helfen? Und weiß den Namen
des Künstlers, der Künstlerin,
dieser Bronzetüren, die durchaus
dem nkünstlerischen Geschmack
der Zeit um 1950 entsprechen. Ich
bin gespannt auf Ihre / Eure Kommentare.
Olaf Schulze
Liebe Cannstatter und Cannstatterinnen,
Freunde dieses Video-Blogs,
der die Abonnentenzahl von 40
dieser Tage übersprungen
hat, heute nur ein ganz kurzer
Film, sozusagen in der Reihe "Cannstatt
tierisch". Es geht um zwei zentrale
Tiere Württembergs, wenn
man so will, um die Wappenhalter
Hirsch und Löwe. Diese finden
wir auch an der ganzen Schaufassade
der Wilhelma dem Neckar zu verteilt,
in einem Fries, der die Eckbauten
betont, vermutlich aus Gusseisen
(Wasseralfingen?), dieser Fries
erinnert vor allem an eine bestimmte
pompejanische Kunstphase, auch
an die Ausmalung des Wilhelma-Theaters
(vgl. Film Nr. 10) auf diesem
Cannstatt-Vlog), das 1840 als
erstes Gebäude der "Wilhelma",
des Privatschlosses und "Maurischen
Bades" für König Wilhelm
I. von Württemberg, als Erweiterung
des Rosensteinschlosses und seines
Parks in die Talaue hinein, errichtet
wurde. So steht denn auch zwischen
den hier sichtbarem Hirschköpfen
links und Löwenköpfen
rechts das zentrale "W", auf das
die Tiere blicken, das sie bewachen
und würdig umrahmen. Fast
48 Jahre lang, vom Herbst 1816
bis zum Sommer 1864, regierte
Wilhelm I., König von Württemberg
(1781-1864), und erwählte
damals Cannstatt zu seiner Sommerresidenz
und förderte dessen Kurbetrieb.
Die Tiere, Hirsch und Löwe,
haben übrigens auch eine
christologische Bedeutung. Der
Hirsch, der aus der Quelle des
Lebens trinkt, steht für
den getauften Christen, der Löwe
für die christliche Macht
der Auferstehung, für die
Königskraft des Heilands.
Der Mittelpavillon zur Aussicht
auf den Neckar (heute die Hauptkasse
der Wilhelma) entstand 1846 nach
den Plänen des Wilhelma-Architekten
Ludwig von Zanth (1796-1857) zusammen
mit der Terrakottawand und den
Eckpavillons (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Terrako...)).
Trotz Kriegsschäden ist noch
relativ viel erhalten.
Liebe Freundinnen und
Freunde dieses Video-Blogs über
Bad Cannstatt.
der heutige Film, den ich schon in
den ersten Tagen der Corona-Einschränkungen
noch im März aufgenommen habe,
führt uns zu einem Denkmal für
den berühmten österreichischen
Operetten-Komponisten Robert Stolz
(1880-1975), der zeitweilig im letzten
Friedenssommer vor dem Ausbruch des
Ersten Weltkriegs hier Kurkapellmeister
war und Ende Juli 1914 im Wilhelma-Theater
eine seiner frühen Operetten
dirigierte, "Das Lumperl". Die Bronzebüste,
der, Künstler oder die Künstlerin
ist mir ebenso wie das Aufstellungsdatum
(noch) nicht bekannt, zeigt seinen
markanten Alterskopf. Seine Ehefrau "Einzi" Stolz
(1912-2004) war aufgrund von Vermittlung
von Hans-Otto Stroheker mehrfach in
den 1980er und 1990er Jahren in Bad
Cannstatt, u.a. zu einer Eröffnung
einer Ausstellung über ihren
Gatten im Stadtmuseum Bad Cannstatt,
die von Hans-Otto Stroheker und Dr.
Manfred Schmid zusammengestellt worden
war, so auch 1994 zur Einweihung einer
Gedenktafel mit Porträtmedaillon
aus Bronze der Cannstatter Bildhauerin
Elke Krämer am Haus Marktstraße
40, in dem Robert Stolz damals gelebt
hat. Das Denkmal vor dem Kleinen Kursaal
trägt die Inschrift:
ROBERT STOLZ
1880 – 1975
DEM GENIALEN KOM=
PONISTEN DIRIGENTEN
UND AUSSERGEWÖHN=
LICHEN MENSCHEN=
FREUND
Liebe Cannstatterinnen
und Cannstatter,
der 4000. Klick wurde
vermutlich Gestern erreicht, vielen
Dank an alle, die meine Videos dann
und wann anschauen, manchmal auch
Kommentare oder Daumen hoch hinterlassen
und mich offensichtlich auch weiterempfehlen.
Das Stadtmuseum Bad Cannstatt kann
wieder besucht werden, allerdings
nur das Untergeschoss und nur maximal
drei Besucher (oder eine Familie)
zur gleichen Zeit mit "Mauldäschle" vor
Mund und Nase. Heute habe ich selbst
dort drei Stunden ehrenamtlich verbracht
und einige nette Gespräche ergaben
sich. Das heutige Video habe ich vor "Dienstantritt" um
12 Uhr in der Bäckergasse in
der Cannstatter Altstadt aufgenommen.
Manchmal ist es so, dass sich Geschichten
auch dort verbergen, wo man sie nicht
erwartet, wo man mehr oder weniger
achtlos vorbeiläuft. Heute zeige
ich zwei Türen bzw. Portal- und
Garagenlösungen der Häuser
Bäckergasse 5 (Bauherren des
Wiederaufbaus Fam. Dürr) und
Bäckergasse 3 (Architekturbüro
und Wohnhaus Hamann). Das Haus Nr.
5 ist ein Teilwiederaufbau auf alten
Resten, ein alter Wappenstein, stark übermalt
und ohne sichtbare Spur eines Wappenzeichens,
kann aber auch als Spolie um 1955
oder 1960 in einen Neubau hingesetzt
worden sein. Das Portal ist mit einem
zweiflügeligen schmiedeeisernen
Tor versehen, das zahlreiche Symbole
enthält. So die Initialen "WD" ganz
oben, für den Bauherrn, dazu
links das Stuttgarter Rössle
und rechts die Cannstatter Kanne,
darunter im linken Flügel Zirkel,
spitzer Hammer und Senkblei für
das Geschäft, das die Familie
Dürr betrieb, und im rechten
Flügel vier Sternzeichenbilder:
Steinbock, Löwe, Fisch(e) und
Wassermann, vermutlich die Sternzeichen
der damaligen Familienmitglieder.
Das linke Nachbarhaus wurde 1963 für
den Architekten Hans Hamann (1928-2014)
und seine Frau Ursel Hamann, geb.
Baitinger als Büro- und Wohnhaus
gebaut, nach eigenen Entwürfen.
Die Fassade und auch diagonal eingeschnittene
Garagen- und Eingangsbereich wurden
später verändert. In den
70ern ersetzte man die z.B. Holzgaragentüren
durch seitlich bewegliche Garagentürelemente,
die mit Kreisen und Kreis-Segmenten
in zeitgenössischen Farben großflächig
bemalt wurden, sowie dem eigenartigen
Schriftband mit "AUS EIN AUS EIN..." darüber.
Auch die Hausnummer wurde groß und
unübersehbar an die Fassade des
Erdgeschosses gemalt. Die interessante
strukturierte Verkleidung mit eingefärbten
Eternitplatten stammt wohl aus der
Zeit der frühen 80er Jahre. Hans
Hamann hat neben seiner Tätigkeit
als Architekt ab den 1990er Jahren
viele Jahre den Volksfestumzug im
Auftrag und als Vorstandsmitglied
des Volksfestvereins geplant und durchgeführt
und dadurch mitgeholfen, den Umzug
zu dem zu machen, was er seither ist,
ein wichtiges Kulturgut für Bad
Cannstatt, Stuttgart, Württemberg,
Baden-Württemberg und darüber
hinaus... und vielleicht bald auch
von der UNESCO anerkannt als immaterielles
Kulturerbe,
Liebe Freundinnen und Freunde, Follower
dieses Bad Cannstatt-Vlogs,
in den 1960er
und 1970er Jahren, nachdem die größten
Lücken des Krieges durch den Wiederaufbau
geschlossen waren, wurden in den deutschen
Städten, Kleinstädten und
auch Dörfern "Altstadtsanierungen" vorgenommen,
die oft daraus bestanden, Landwirtschaft
und "dreckiges" Gewerbe aus den Ortskernen
zu entfernen, vermeintlich oder wirklich
baufällige Altbauten für Ortsdurchfahrten
und übergroße Platzgestaltungen
zu opfern und Bank- und städtische
Verwaltungsgebäude ohne größere
Rücksicht in die vorhandenen Strukturen
zu "klotzen", nicht zu vergessen die "Vereternitplattisierung" der
Fassaden bis zur Unkenntlichkeit. Eine
rühmliche Ausnahme, wenn auch damals
sehr umstritten, war der 1977 seiner
Bestimmung übergebene Neubau der "Kron-Apotheke" (Marktstra0e
59), nach Plänen des Architekten
Werner Lutz, der mittelalterliche Prinzipien
wie das Vorkragen der Geschosse, den
Fachwerkbau an sich, die Giebelständigkeit
der meisten Gebäude an der Marktstraße
aufnahm und in aktuellen Materialien
(Beton, Stahl, Glas) umsetzte. Heute
fügt sich die Apotheke nahtlos
und "zeitlos" in die Umgebung mit Stadtkirche
und Altem Rathaus ein. 1895 gab es im
ganzen Oberamt Cannstatt mit allen Teilorten
sechs Apotheken, davon vier allein in
der Oberamtsstadt selbst, in Cannstatt.
Cannstatt hatte nicht nur die meisten
Apotheken im Amt, hier lag (und liegt)
auch die älteste. Sicher hatte
es zuvor Würzkrämer gegeben,
auch fahrende Händler, bevor der
Stuttgarter Hofapotheker Hans Jakob
Künlen 1638 (mitten im Dreißigjährigen
Krieg und drei Jahre nach einer schweren
Pestepidemie) die Erlaubnis, das Privileg,
bekam, „ein besonder corpusculum
pharmaceuticum“ in Cannstatt einzurichten.
Diese „Zweigapotheke“ vererbte
sich dann in der Familien Künlens.
Ein Apotheker Johann Wolf Süßkind
von Winnenden wurde 1649 mit seiner
Bitte um Konzession abgewiesen, ebenso
ein zweiter 1683, desgleichen 1715.
Das letzte Gesuch hatte ein französischer
Einwanderer namens Guillot gestellt.
Dieses war abgelehnt worden, „weil
kaum eine Apotheke des Joh. Wilh. Wölfing,
geschweige zwei bestehen können,
während der Herzog den Bittsteller
annehmen wollte, wenn er so viel erwerbe,
daß er ein Haus in dem eben entstehenden
Ludwigsburg bauen und sich dort niederlassen
könne.“ (Aus dem Oberamtsbericht
von 1895) Es sollten noch einmal hundert
Jahre ins Land ziehen, bis 1816 die
zweite Apotheke in Cannstatt privilegiert
wurde. Es war die „Morstatt‘sche
Bad-Apotheke“ von Heinrich Gottlieb
Morstatt. Sie wurde innerhalb mehrerer
Generationen in der Familie Morstatt
weitergegeben und befand sich im Haus
Marktstraße 22. 1907 ging sie
von Albert Morstatt an Otto Bollacher über,
dessen Sohn Erich sie dann weiterführte.
Zum 31. Oktober 1990 erlosch der Betrieb
der Apotheke laut Gewerberegister. Ein
Teil des Apothekennachlasses der Familie
Bollacher befindet sich heute im Stadtarchiv
Stuttgart. Zum 1. Mai 1862 trat in Cannstatt
die neue Gewerbeordnung in Kraft, durch
welche die Zünfte aufgehoben wurden.
Ausgeschlossen von der Gewerbefreiheit
blieben neben der Schifferei, den Buchdruckereien
und Buchhandlungen nur die Apotheken.
Im Juni 1876 wurde schließlich
eine dritte Apotheke konzessioniert,
die „Wilhelms“-Apotheke
in der Wilhelmstraße 9 des Apothekers
Gotthold Völter. Mit der „Homöopathischen
Central-Apotheke“ von Virgil Mayer
gab es dann bis zur Vereinigung mit
Stuttgart 1905 vier Apotheken in Cannstatt.
Von denen die wichtigste die „Kron[en]“-Apotheke
blieb, die zeitweise von einem Apotheker
Baumann geführt wurde. Ihr Name
rührt von der unmittelbaren Nachbarschaft
zum traditionsreichen Gasthaus „Zur
Krone“ her, das seit Ausgang des
Mittelalters „Krone des Lebens“ (und
damit letztlich Christus) dürfte
für das Gasthaus namensgebend gewesen
sein – so wie viele Gasthäuser
zum Beispiel nach den Evangelisten benannt
sind: Adler, Engel, Löwe und „Ochse“.
Der Name der „Kron[en]- Apotheke“ hatte
im 19. und frühen 20. Jahrhundert
viele Varianten, je nach Gusto des Inhabers.
Wohl Mitte der 1870er Jahre hatte Gustav
Obermiller die „Apotheke zur Krone“ übernommen
und zum 30. August 1884 per Ministerial-Erlass
auch das Recht, neben der regulären
Apotheke auch eine „Homöopathische
Central- Apotheke“ zu führen,
folglich Virgil Mayer Konkurrenz zu
machen. Bis zu seinem frühen Tod
1920 führte dann sein Sohn Gustav
Obermiller (jun., geboren in Cannstatt
1872) die Apotheke und brachte sie auf
den neuesten Stand. Dessen Söhne
betrieben dann die Apotheke weiter,
trennten ihre Apotheken nach dem Zweiten
Weltkrieg (so entstand die „Scarabäus-Apotheke“ am
Daimlerplatz). Später kam die Kronen-Apotheke
in den Besitz der Apothekerin Friederike
Barth aus der Familie Palm (Schorndorf),
die den heutigen Neubau erstellen ließ.
Liebe
Cannstatterinnen und Cannstatter,
liebe Freunde dieses Video-Blogs,
das heutige Video führt uns
in ein historisches Gebäude
in der Spreuergasse, und zwar
in die Nr. 5, nahe beim Jakobsbrunnen,
in dem sich seit einigen Jahren
der "Kunstraum5" befindet, betrieben
von der Künstlerin Dorothee
Schwertzel-Thoma (Jg. 1960), die
hier seit einigen Jahren, genauer
seit 2012, Malkurse für Erwachsene
und Kinder praktisch jeden Alters
und jeder Vorkenntnisstufe anbietet.
Seit drei Wochen sind wieder eingeschränkt
Kurse mit stark reduzierter TeilnehmerINNENzahl
möglich. In diesem Video
besuchen wir einen solchen Kurs,
der sich regelmäßig
einmal die Woche trifft, und führen
kleine Interviews mit den Teilnehmern
zu ihrer Motivation bzw. zu den
aktuellen Projekten sowie mit "Doro" Schwertzel-Thoma,
die auch seit fünf Jahren
die "Galerie Wiedmann" als Kuratorin
leitet, selbst über ihren
künstlerischen Werdegang
und die Idee, die hinter dem Kunstraum5
steckt. Das Gebäude Spreuergasse
5 selbst ist auch für sich
betrachtet interessant. Auch wenn
bislang keine dendrochronologischen
Daten gezogen und ermittelt wurden,
dürfte der Bau im Kern aus
dem 15. oder frühen 16. Jahrhundert
stammen. Mitte des 19. Jahrhunderts
wurden das Obergeschoss und der
Dachbereich dem neuen Zeitgeschmack
angepasst. Und so entsteht in
einem historischen Gebäude
mitten in der Altstadt von Bad
Cannstatt aktuelle Kunst in kreativer
Atmosphäre. Auch der baumbestandene
Innenhof dienste schon kulturellen
Zwecken, wie kleinen Konzerten
oder Kunstvernissagen (weitere
Informationen unter: https://www.kunstraum5.com/).
Der Name "Spreuergasse" ist für
das Jahr 1561 überliefert;
hier gab es bis ins 20. Jahrhundert
hinein viele landwirtschaftliche
(Klein-)Betriebe, Fuhrunternehmen,
Scheuern, die entweder durch die
Bombenangriffe in den letzten
Kriegsjahren oder durch die Altstadtsanierung
ab den späten 1970er Jahren
zerstört oder abgebrochen
wurden. So entstand auch der Platz
am Jakobsbrunnen durch Abbruch
zweier Gebäude und Neupflanzung
von Bäumen in den 1980er
Jahren (vgl. die Filme Nr. 21),
28) und 31) auf diesem Bad Cannstatt-Vlog,
sowie zur Galerie Wiedmann die
Filme Nr. 3_1) und 3_2) zur aktuellen
Ausstellung mit Skulpturen von
Karl-Heinz Osswald). Im Haus Spreuergasse
5 lebten laut Cannstatter Adressbuch
von 1904 hier im ersten Stock
der Weingärtner Jakob Zais,
dem das Haus damals auch gehörte
und der einer der drei "Jakobe" war,
die dem Brunnen den volkstümlichen
Namen gaben, sowie im zweiten
Stock der Wagenheber Gottlieb
Lachenmayer und der Zigarrenmacher
Peter Heritier.
Um
1900 erwarb der Cannstatter Färber
Karl Schiffmann einen Geländestreifen
aus dem Badgarten des ehemaligen
Hotel Hermann zwischen Bad- und
Eisenbahnstraße. Hier lagen
seit dem Mittelalter die "Männlein"-
und "Weiblein"-Quellen, auf diesem
Gelände befand sich der von
Frösner 1833 erbohrte Brunnen,
mit dessen Wasser das von Privatier
Mehl 1897 errichtete „Neue
Mineralbad“ betrieben wurde.
Auch das ehemals Hermann'sche
Badhaus, nun Wohnhaus, gehörte
zum erworbenen Grundstück.
Karl Schiffmann übernahm
das Bad, das fortan „Badeanstalt
Schiffmann“, später "Mineralbad
Schiffmann" hieß. Mehrmals
wurde das Bad modernisiert, bis
es 1972 geschlossen wurde – nachdem
in immer mehr Wohnungen Bäder
eingebaut worden waren und der
Bedarf an Wannenbädern im
Mineralbad stark sank. Das Mineralbad
Schiffmann bot auch vom Arzt verordnete
Stahlbäder an. Dafür
wurde das Mineralwasser direkt
in Kupferwannen mit Doppelboden
eingefüllt. In die Doppelböden
wurde Dampf eingeleitet, so dass
das Wasser je nach Bedarf und
Verordnung erwärmt werden
konnte. In den Jahren vor und
nach dem Zweiten Weltkrieg wurden
die Wannenbäder von den Bewohnern
des Seilerviertels viel genutzt.
Aber auch zahlreiche Badegäste
aus Übersee suchten das Bad
auf, wie Eintragungen im Gästebuch
belegen. In der Nachkriegszeit
besuchten auch amerikanische Offiziere
häufig das Bad. Seine Färberei
verlegte Karl Schiffmann vom Mühlkanal
an die Eisenbahnstraße.
Er erbaute ein zweistöckiges
Fabrikgebäude, die Färberei
und "chemisch-mechanische Waschanstalt" K.E.
Schiffmann. Im Erdgeschoß standen
die mit Dampf betriebenen Maschinen,
während im Obergeschoß der
Arbeitsplatz der Büglerinnen
war. Bis zu 60 Arbeiterinnen und
Arbeiter fanden hier Beschäftigung,
darunter Frauen aus der Postsiedlung
an der Eisenbahnstraße.
Der Dampf, mit dem die Maschinen
angetrieben wurde, wurde übrigens
doppelt genutzt: er wurde weitergeleitet
ins Bad und diente zur Erwärmung
des Badewassers. Die Fabrik wurde
wegen Umweltschutzauflagen 1979
geschlossen. Familie Schiffmann
eröffnete danach in Waiblingen
eine neue Firma für internationale
Textilausrüstung und Chemische
Reinigung, die bis 1997 bestand.
Die Wäscheannahme und das
Büro befanden sich bis zuletzt
im Gebäude Badstraße
31. Nachdem schon zuvor das alte
Hermann'sche Badhaus abgerissen
worden war – auf dem Gelände
wurden zunächst Parkplätze
für die Post eingerichtet – wurden
1979 auch Bad und Fabrik abgebrochen.
Das gesamte Gelände wurde
1981/82 neu bebaut und eine kleine
Grünanlage mit einbezogen,
in der sich heute der Schiffmann-Brunnen
befindet. In den 1830er Jahren
ließ die Schüttung
mehrerer Cannstatter Quellen aufgrund
der extensiven Bohrung artesischer
Brunnen zu Industriezwecken nach,
weswegen weitere Bohrungen zunächst
verboten wurden. Dr. Frösner
erbohrte nach langem Schriftwechsel
auf seinem Grundstück einen
neuen Brunnen, den heutigen "Schiffmannbrunnen",
der 1933 durch Karl Schiffmann
neu gefasst wurde. Alle drei Wässer, "Männlein", "Weiblein" und
der "Schriffmannbrunnen" haben
einen vergleichsweise geringen
Natrium- und hohen Eisenanteil.
Zweimal musste die Schiffmann-Quelle
im 20. Jahrhundert nachgebohrt
werden: 1933 zunächst auf
eine Tiefe von 60, dann auf 86
m. 1926/27 verringerte sich das
Grundwasserniveau aufgrund der
Neckarregulierung und die Schüttung
ließ nach. Die alten Eichenholzröhren
ersetzte man durch Metallrohre
und bohrte gleichzeitig tiefer.
Als 1959 die Schüttung erneut,
diesmal wegen Bauarbeiten am Neckarhafen,
nachgelassen hatte, erfolgte die
zweite Bohrung. Das „Weiblein“ wurde
mit dem Gebäude Eisenbahnstraße
40 überbaut und fließt
bereits seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts in die Kanalisation
ab. Das „Männlein“ wurde
bis ca. 1950 als Pumpbrunnen in
der Eisenbahnstraße genutzt,
der dann von einem amerikanischen
Militärlastwagen gerammt
und zerstört wurde. Auch
das „Männlein“ fließt
seither in die Kanalisation ab.
Dem Murmeln beider Quellen kann
auch heute bei der Eisenbahnstraße
40 gelauscht werden: Das des "Männleins" unter
einem Kanaldeckel mitten auf der
Straße, das "Weiblein" ist
durch ein Kellerfenster zu hören.
Der "Schiffmann-Brunnen" stand
ursprünglich direkt hinter
dem Haus Badstraße 31. Die
Quelle befindet sich Heute im
Keller des Hauses Badstraße
27. Von ihr wird das Mineralwasser
zum öffentlichen Brunnen
innerhalb der Grünfläche
des Neubaugebiets und ins Krankenhaus
vom Roten Kreuz geleitet. Dort
darf jedoch, neuesten EU-Verordnungen
entsprechend, das Mineralwasser
nicht mehr an die Kranken ausgegeben
werden. Dieser Text (leicht gekürzt
und bearbeitet) stammt von meiner
Kollegin, der Stuttgarter Historikerin
Claudia Weinschenk M.A., die seit
vielen Jahren ebenfalls Stadt-
und Friedhofsführungen anbietet,
und die mit mir zusammen 2008
eine Ausstellung "100 Jahre Seilerviertel" im
Stadtmuseum Bad Cannstatt gestaltet
hat. Einer ihrer Schwerpunkte
ist die Erforschung der Stuttgarter
Frauengeschichte
(vgl. http://geschichts-ver-fuehrungen.de/).
Liebe
Cannstatterinnen und Cannstatter,
Freunde Bad Cannstatts und dieses
Vlogs,
unser heutiger Ausflug
geht dieses Mal in einen Bereich,
in dem ich noch keine Videos gedreht
habe, in den Bereich der sogenannten "Fabrikvorstadt" "jenseits" der
Bahnlinie Cannstatt-Untertürkheim,
einen Bereich, der ab den 1860er
Jahren bebaut wurde mit Fabriken
und Arbeiter- bzw. Eisenbahnerwohnhäusern.
Allerdings in eine Zeit lange
davor, als vor vielen zehntausend
bis hunderttausend Jahren hier
aus kalkhaltigem Mineralwasser
der bekannte Cannstatter Travertin
entstand. So ist das Naturdenkmal
Heinrich-Ebner-Straße auch
Teil eines vor über zehn
Jahren angelegten geologischen
Travertin-Pfades, der allerdings,
auf Grund von ständigem Vandalismus
und Schmierereien in Teilen wieder
entfernt wurde (so in der Ganzhorn-Anlage
an der Taubenheimstraße
beim Uffkirchhof). Hier erkennt
man besonders gut die natürliche
Schichtung des Travertingesteins
im Wechsel mit Sedimenten des
Neckars. Und auch die unterschiedlichen
Qualitäten des Travertins.
Zum geologischen Travertinpfad
vergleiche: http://www.stuttgart-stadtgeschichte.net/pdf/Flyer_Geologiestationen.pdf
Im Herbst 1816, dem "Jahr ohne
Sommer", wurden hier an diesem
Gesteins-Aufschluss umfangreiche
Mammutknochen entdeckt. Man war
damals auch auf der Suche nach
dem "Cannstatter Urmenschen",
von dem man schon im 17. Jahrhundert
Spuren entdeckt zu haben glaubte.
Der "Elfenbeinschatz" von Cannstatt
lockte auch den urgeschichtsbegeisterten
(dicken) König Friedrich
von Württemberg hierher,
der sich dabei eine schwere Erkältung
(vermutlich mit Lungenentzündung)
holte und einige Tage später
verstarb, so dass sein Sohn Friedrich
Wilhelm, familienintern bisher "Fritz" genannt,
unerwartet früh König
wurde. Er bestimmte allerdings,
auch aufgrund seines sehr angespannten
Verhältnisses zum Vater,
seinen zweiten Vornamen "Wilhelm" zum
Königsnamen, er wollte nicht "Friedrich
II.", sondern "Wilhelm I. von
Württemberg sein). Mit Cannstatt
blieb er zeit seines Lebens aufs
engste verbunden. Er ließ hier
zwei Schlösser, Rosenstein
und Wilhelma, errichten, förderte
den Ausbau zum Kurort (teilweise
aus der Privatschatulle) und trank
auch regelmäßig aus
der nun nach ihm benamten Quelle
hinter dem Großen Kursaal.
Und konnte er nicht persönlich
(und dann meist in Zivil) vorbeikommen,
so ließ er sich das Wasser
vom Brunnenverein liefern. Der
Name "Heinrich-Ebner-Straße" erinnert
an den Orthopäden und Klinikbetreiber
Dr. Heinrich Ebner (1829-1878)
der 1868 auch ein interessantes,
zweisprachiges (dt., franz.) Buch
mit Illustrationen, das "Album
von Cannstatt und Umgebung" herausgab,
das uns das Stadtbild am Übergang
von der Kur- zur Industriestadt
bewahrt. Er betrieb am Wilhelmsplatz,
Ecke Seelbergstraße, eine
kurze Zeit lang eine mondäne
orthopädische Klinik und
schildert schildert in seinem
Buch die Einrichtungen des Kurortes
Cannstatt, die Hotels, Fachkliniken,
Bäder und Privatschulen,
auf ihrem historischen Höhepunkt,
bevor die Industrialisierung überhand
gewann und die internationalen
Gäste immer weniger wurden.
Ich wünsche Ihnen / Euch
allen einen schönen Feiertag.
Und danke meiner Freundin Carmen
Jud ganz herzlich für die
spontane Übernahme der "Dreharbeiten" zu
diesem Video.
"Cannstatts Geschichte sehen lernen" -
unter diesem Motto biete ich seit
15 Jahren Stadtführungen durch
Bad Cannstatt an. Damals schrieb ich
unter dem gleichen Titel eine kleine
Sommer-Serie für die "Cannstatter
Zeitung" und eine Führung für
deren Leserinnen und Leser war der
Abschloss der Serie. Die Führung
führte die recht große
Gruppe auch an den Cannstatter Marktplatz,
der ja eigentlich ein künstliches
Gebilde ist, und durch Abbruch in
der Zeit ab 1860/70 entstand. Damals
verschwanden die ehemalige Lateinschule
und die "Teutsche Schule", die Seitengassen
zur Marktstraße wurden verkürzt
(wie etwa die "Heim'sche Gasse" und
die Stadtsulz, die Jahrhunderte lang
auf der Rückseite des Alten Rathauses
lag wurde zugeschüttet und der
Sulzbach verdohlt (daher der Name "Sulzbachgasse").
Es verwundert daher kaum, dass der
künstlich geschaffene Marktplatz,
der den Wochenmarkt der wachsenden
Industriestadt am Neckar aufzunehmen
hatte, praktisch keine Schaufassaden
zum Platz hin hat. Sondern man sieht
z.B. nur die Rückseiten und Anbauten
der Häuser an der Marktstraße.
Mit einer Ausnahme, ein um 1905/1910
erbautes ehemaliges Kolonialwarengeschäft,
in dem seit ein paar Jahren sinnigerweise
der Eine-Welt-Laden untergebracht
ist. Der damalige Bauherr hatte sogar,
ganz im Sinne des Jugendstils, Sinn
für "Kunst am Bau", und so ziert
den Sandsteingiebel zum Marktplatz
ein Relief, auf das ich damals, bei
der Führung im Frühherbst
2005 meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
viele darunter "alte Cannstatter" aufmerksam
machte. Keine oder keiner von Ihnen
hatte das Relief je bemerkt, je gesehen
- das war die Antwort per Handzeichen
bei meiner spontanen Frage. Und manche
gingen schon ein halbes Jahrhundert
auf den Wochenmarkt. "Geschichte sehen
lernen", heißt mit offenen Augen
auch durch das Wohnumfeld, durch die
eigene Stadt gehen... auch mal mit
einem touristischen Blick wahrnehmen,
was vielleicht Fremden als etwas Besonderes
auffiele. So ist es auch mit diesem
Beispiel. Was ist nun dargestellt?
Man sieht auf ein Schiffsdeck, auf
dem drei Personen zu erkennen sind
und Teile der Ladung an Deck. Im Hintergrund
rechts erkennt man die Takelage. Im
Bildzentrum steht, auf einen großen
Anker gestützt, mit seiner geflügelten
Haube der römisch-antike Gott
Merkur, der Gott der Händler,
der schnellen Geschäfte... und
damit auch der Gott der Diebe (dem
griechischen Hermes, dem Götterboten,
nahe verwandt), war er auch in der
obergermanischen Provinz, im römischen
Cannstatt als Götterdarstellung
zu finden, etwa in einem kleinen Heiligtum,
das in den 1920er Jahren bei Rilling
in die Brückenstraße gefunden
wurde, oder auch als Grabfigur, Merkur
als der Seelengeleiter. Zwei Matrosen
sind mit der Ladung beschäftigt,
links erkennt man ein Fass an einer
Eisenkette, damit es die See nicht
vom Deck spülen kann, rechts
wird eine Holzkiste mit Ladung bewegt,
weitere Teile der Ladung sind ebenfalls
zu erkennen. Das deutsche Kaiserreich
wurde erst spät zur Kolonialmacht
(u.a. in Afrika) und blieb es nur
bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.
Fast in jeder Stadt gab es ab den
1880er Jahren Kolonialwarengeschäfte,
die zum Beispiel Kaffee oder Baumwolle
oder Seide oder Schokolade im Angebot
hatten. Insofern ist das Relief, dessen
Künstler (vielleicht Emil Kiemlen?)
ich noch nicht ermitteln konnte, ein
wertvolles Stück deutscher, württembergischer,
Cannstatter Kultur- und Wirtschaftsgeschichte.
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
Freunde dieses Vlogs, heute stelle
ich das 70. Video in Folge für
Bad Cannstatt auf diesen Kanal. Und
es ist ein Endes des täglichen
Hochstellens noch nicht in Sicht,
da ich - und meine ganzen Kolleginnen
und Kollegen in Baden-Württemberg
immer noch keine Auskunft bekommen
haben, wann und wie es für uns
mit Führungen im öffentlichen
Raum weitergeht. Heute sind wir am
Erbsenbrunnen, sicher der bekannteste
Brunnen in der Cannstatter Altstadt
- er war das letzte große Projekt
des Cannstatter Verschönerungsvereins,
der zum Beispiel den Burgholzhofturm
(siehe Video Nr. 29) auf diesem Vlog)
1891 und den Juno-Brunnen (vgl. Video
Nr. 19) 1910 hatte errichten lassen.
1927 begannen die Planungen des Cannstatter
Verschönerungsvereins für
einen Brunnen vor dem „Gasthaus
zur Rose“ in der Marktstraße
Gestalt anzunehmen. Die überregional
bekannten Stuttgarter Bildhauer Bernhard
Pankok (1872-1943) und Fritz von Graevenitz
(1892-1959) wurden angefragt. Fritz
von Graevenitz stellte im März
1928 ein Gipsmodell dem Vereinsausschuss
vor, das heutige Erbsenbrunnenbüble
zeigend. Auch mehrere Anwohner finanzierten
den Brunnen mit. Der Travertin aus
der gelben Bank des Steinbruchs Lauster
erwies sich als schwieriges Material.
Erst die dritte Ausführung des
Bübles gelang, wobei sich Fritz
von Graevenitz älterer Skizzen
bediente, die er von seinen Neffen
Richard von Weizsäcker (1920-2015)
und Carl Friedrich von Weizsäcker
(1912-2007) und, aber auch in der Überarbeitung
der Figur 1929 von seiner zweijährigen, ältesten
Tochter Irmgard gemacht hatte. Und
so verzögerte sich die Einweihung,
die schließlich am Sonntag,
den 13. Januar 1929, vormittags 11
Uhr, bei 5 Grad Kälte vollzogen
wurde. Die Häuser der Marktstraße
waren beflaggt, das Musikkorps der
(nicht 13 Grad, da habe ich im Video
das Datum und die Gradzahl verwechselt!)
Nachrichtenabteilung der Reichswehr
spielte, der MGV Harmonie sang „An
Brunnen vor dem Tore“ und „Im
schönsten Wiesengrunde“.
Dann übergab der Vereinsvorstand
Oberbaurat Paul Reuß mit einer
Ansprache dem Stuttgarter Oberbürgermeister
Dr. Karl Lautenschlager den Brunnen,
wonach der MGV Harmonie und das Musikkorps
einen eigens komponierten „Hymnus“ zu
Gehör brachten. Anschließend
ging es im kleineren Kreis in die
benachbarte Weinstube Wertz zur Nachfeier.
Es existiert ein Bild, das unmittelbar
vor Beginn der Zeremonie entstand
und die mit einer Art Stoffüberzieher
verhüllte Brunnenfigur zeigt
sowie die wartenden Honoratioren mit
ihren Zylindern im Hintergrund. Oberpräzeptor
Bazlen inspirierte die Feier zu einem
Gedicht: „‘s Erbsabüeble
friert‘s“. Nur noch kleinere
Vereinsaktivitäten schlossen
sich in der Zeit der Weltwirtschaftskrise
an, bis Ende 1934 die Vereinsarbeit
ganz eingestellt wurde. 1937 schließlich
erfolgte die „Selbstauflösung“ des
Verschönerungsvereins. Aus dem
Vereinsbesitz ging der Burgholzhofturm
an die Stadt Stuttgart über,
der Rest des Vermögens wurde
dem Kurverein Bad Cannstatt übergeben.
Das Wasser des Erbsenbrunnens stammt
heute übrigens von der Cannstatter
Quelle mit der stärksten Schüttung,
der Kellerbrunnenquelle. Das ursprüngliche
Wasser des "Kühlbrunnens" (daher
der Name der "Kühlbrunnengasse")
war ein besonders weiches, gutes Trinkwasser
ohne Beigeschmack, gut geeignet zum
Kochen von Hülsenfrüchten,
aber auch für Tee oder Kaffee.
Das Büble, das sozusagen die
schwäbisch anständigere
Fassung des "Männeken Pis" darstellt,
das sein Hemdle keck nach oben zieht
und das "Schnäpperle" freilegt,
hat ein Krügle dabei und steht
auf einer Erbse. Gewidmet ist dieses
Video dem "kleinen Bruder" vom Erbsenbrunnenbüble,
dem Cannstatter Urgestein und Original
Hugo Kost (1933-2019), dem ebenfalls
künstlerisch begabten Neffe von
Hermann Metzger, der sich beim Quellenclub
in vielfältiger Weise eingebracht
hatte (zuletzt als "Ehrenordenskanzler"),
der mir vor vielen Jahren das oben
genannte Foto von der Einweihung des
Brunnens übergab. Damals lernte
sein Vater Hugo Kost sen., der in
der "Harmonie" sang, eines des Mädle
aus der Weinstube Wertz kennen und
lieben. Als einziges Kind der bald
darauf geschlossenen Ehe kam vier
Jahre später Hugo Kost jun. zur
Welt, der als Kleinkind manchmal "zum
Baden" in die Brunnenschale aus Travertin
gelegt wurde - also quasi mit dem
Wasser des Erbsenbrunnens "getauft" wurde.
Diese Geschichte, dass er daher der "kleine
Bruder" des Erbsenbrunnenbübles
sei, hat er gerne erzählt.
Das heutige Video führt uns wieder in Stadtmuseum Bad Cannstatt (zum Stadtmuseum
und zum "Klösterle" siehe Videos Nr. 0), Nr. 1), Nr. 12), Nr. 24), Nr. 33);
Nr. 37) und Nr. 60) auf diesem Bad Cannstatt-Vlog). Während des Untergeschoss
des Museums seit Mittwoch, den 13. Mai 2020, wieder geöffnet ist (zeitgleich
sind nur drei Besucher oder eine Familie zugelassen mit Mund-Nase-Schutz), so
ist das Obergeschoss mit großen Teilen der im Jahre 2016 neu gestalteten
Dauerausstellung "Cannstatt Panorama" bis auf Weiteres weiterhin für den
Besucherverkehr gesperrt. Dies hat mich dazu geführt, Ihnen in den nächsten
zwei Wochen in unregelmäßigen Abständen, den Bestand des Obergeschosses
auf den Videos mit kleinen summarischen Führungen vorzustellen.
Der heutige
Bereich umfasst die Kapitel "Neckarstadt" und "Altstadt / Klösterle". Hier
wird die Geschichte Cannstatts am Neckar, der Segen und Fluch zugleich war (und
manchmal auch immer noch ist) dargestellt. Außerdem wird die Sanierungsgeschichte
der Altstadt Bad Cannstatts und die besondere Rolle, die das "Klösterle"-Ensemble
in dieser Geschichte gespielt hat, dargestellt. Alles Weitere erfahren Sie im
Video.
Viel Spaß damit... mit freundlichen Grüßen Olaf Schulze,
Mitkurator des Dauerausstellung "Cannstatt Panorama" (zusammen mit Herrn Dr.
Manfred Schmid, dem damaligen Leiter des Stadtmuseums Bad Cannstatt, und der
Studio-Gemeinschaft Christoph Emde / Raimund Docmac als Ausstellungsgestaltern;
ausgezeichnet 2017 als "Vorbildliches Heimatmuseum im Regierungspräsidium
Stuttgart")
Liebe Cannstatter und Cannstatterinnen, wachsende Followerschar dieses Bad
Cannstatt-Vlogs,
heute ist in der katholischen Kirche "Urbanstag", der Gedenktag
des Hl. Urban, des Papstes Urban I., 222 bis 230 n. Chr. Bischof von Rom. Man
schreibt ihm eine liturgische Verordnung zu, was jedoch nicht historisch belegbar
ist, dass Messgeräte nur aus Silber zu fertigen seien. Die Legende des Papstes
Urban I. spricht von einer großen Anzahl durch Urban Bekehrter, unter denen
auch Valerian, Ehemann der heiligen Caecilia, und sein Bruder Tiburtius waren.
Zudem soll er als Märtyrer durch Enthauptung unter Kaiser Severus Alexander
gestorben sein. Er ist Patron von Maastricht, Toledo, Troyes, Valencia und Zielona
Góra (Grünberg in Schlesien); außerdem, und das ist für
Cannstatt besonders wichtig, der Patron der Weinberge, des Weines, der Winzer
und der Küfer. Er wurde gegen Trunkenheit angerufen, auch gegen die Gicht
(die auch „St. Urbans Plag“ hieß), auch gegen die Schäden
von Gewitter, Blitz und Frost. Seine Funktion als Schutzpatron der Winzer ist
jedoch sekundär und wurde ihm aufgrund einer Verwechslung mit dem heiligen
Urban von Langres († 375) zuteil. Der heilige Urban von Langres wiederum
war von vorneherein Schutzpatron der Weingärtner, er starb (vermutlich)
am 23. Januar 375 n. Chr. und war zuvor Bischof von Langres und Autun, der alten
Römerstadt in Burgund. Er soll sich, seiner Legende nach, vor seinen Verfolgern
hinter einem Weinstock verborgen haben. Deshalb wird er oft mit einer Traube
von Weinbeeren oder einem ganzen Weinstock in der Hand dargestellt. Aus diesem
Grund auch wurde er Schutzpartron der Winzer, sowie der Städte Langres und
Dijon. Sein Gedenktag wurde unterschiedlich begangen: ursprünglich am vermuteten
Todestag, dem 23. Januar, später in Langres am 2. April, offiziell dann
am 3. April. In vielen Weinbaugegenden wird an diesem Tag auch eine Urbans-Bittprozession
abgehalten. Weder Papst Urban I. noch Urban, der Bischof von Langres und Autun,
sind am Haus der ehemaligen "Weinstube Wertz", die hier von etwa 1900 bis zum
Zweiten Weltkrieg bestand, abgebildet. Die fast vollplastische Figur, die auf
den Erbsenbrunnen "aufpassen" würde, wenn ihr Kopf nur nach rechts statt
nach links ginge, stammt aus den 1920er Jahren (was auch Sockel und Dach durch
ihre Formgebung verraten) und zeigt einen recht jugendlichen Urban in einer typischen
Weingärtnertracht, mit lederner Kniebundhose, Kniestrümpfen, einem
hellem Hemd und einer roten Stoffweste. Neben ihm ist ein Weinstock mit Weintrauben
zu erkennen, in der rechten Hand hält er einen Pokal, in dem wir Wein vermuten
dürfen. Seine Haltung ist recht seltsam, riecht er seinen Achselschweiß nach
seiner Schweißtreibenden Arbeit? Das sicher nicht? Macht er die jungen
Mädchen auf sich aufmerksam, das wahrscheinlich schon. Er ist ein typisch
evangelischer Urban, "einer von uns", aus dem Stand der schwäbischen Wingerter… wie
es sie auch in Cannstatt seit dem Mittelalter gab. Der "Cannstatter Zuckerle" war
schon im späten Mittelalter eine über Württemberg hinaus bekannte
Weinlage. Die Römer in Cannstatt haben hier mit Sicherheit auch (importierten)
Wein getrunken, doch es gibt bislang in unserer Region keinen stichhaltigen Beleg,
dass sie hier auch Wein angebaut haben. Solche sicheren, archäologischen
Beweise für den Weinanbau in der provinzialrömischen Zeit gibt es aber
zum Beispiel aus dem Bereich der Mosel um Trier.
Stadtrechte besaß Cannstatt spätestens seit 1330, die
Altstadt bei der "Cannstatter Brucken", an eine der wichtigsten
Heer- und Handelsstraße gelegen, hatte damals sicher eine
Umwehrung. Ob es schon einer Mauer aus Stein war, ist nicht sicher
zu klären. Spätestens im 15. Jahrhundert dürfte die
Mauer mit ihren Wehrtürmen, ihrem umlaufenden Wehrgang, mit
den drei großen Stadttoren - dem Brückentor, dem Schmidener
Tor (am Ende der Brunnenstraße) und Waiblinger Tor (am Ende
der Marktstraße, bei der heutigen Galeria Kaufhof) - voll
ausgebaut gewesen sein. Das heutige Video entstand in der Brählesgasse,
dort wo der "Hagelschieß" auf die Brählesgasse trifft.
Dort steht ein vor einigen Jahrzehnten restauriertes Haus, dessen
Fachwerksichtigkeit damals wieder hergestellt wurde und das um 1570
hier an und auf der Stadtmauer gebaut worden war, und zwar in unmittelbarer
Nähe des "Fischertörles", eines kleinen Mauerdurchgangs,
der von der "Fischergasse", wie die Brählesgasse bis 1937 hieß zum
Seilerwasen, zum Neckar und zur Metzig und zum Badhaus unmittelbar
vor dem Törle führte. Die Stadtmauer ist an der Brählesgasse
sichtbar, im ersten Stock erkennt man am rechten Fenster den Rücksprung
des Wehrganges. Das Haus selbst ist mit einer wunderbar rankenden
Rose bewachsen. Das Erdgeschoss liegt sehr hoch, der Keller ist über
die Hälfte über dem Straßenniveau. Das lag sicher
an der Hochwassergefahr, der Cannstatt bis Ende der 1920er Jahre
ausgeliefert war, aber auch daran, dass an vielen Stellen in der
Cannstatter Altstadt aufgrund der Geologie, dem durch das Mineralwasser
hohen Grundwasserspiegel, keine tiefen Keller möglich waren.
Oft gab es auch Kellergemeinschaften. Erst nachdem die Stadtmauern
des 15. Jahrhunderts aus fortifikatorischen Gründen, der Weiterentwicklung
von Kanonen im 16. Jahrhundert, einen großen Teil ihrer Schutzfunktion
verloren hatten, durften die Innenseiten der Mauern auch dauerhaft
bebaut werden. So entstand auch das von uns betrachtete Gebäude.
Benannt wurde die "Brählesgasse" nach der einst hier und im
Hagelschieß wohnhaften, weitverzweigten Fischer-, Schiffer-
und ehemals auch Flößerfamilie Brähle, die Ende
des 19. Jahrhunderts u.a. auch eine Badeanstalt am Neckar und einen
Bootsverleih mit Ruderbooten betrieb, mit denen man um die "Berger
Insel" herumrudern konnte. Im Obergeschoss des Stadtmuseums Bad
Cannstatt ist eine Porträtdoppelfotografie eines Ehepaar Brähle
aus der Zeit um 1870 in einem der Schübe (Abteilung "Neckarstadt";
vgl. Film Nr. 71) auf diesem Cannstatt-Vlog) zu besichtigen, jedoch
erst wieder, wenn das Obergeschoss wieder frei zugänglich gegeben
werden kann. Mein Dank geht auch heute wieder an die Kamerafrau,
meine Freundin Carmen, für ihre spontane Unterstützung.
Er gilt als einer der schönsten Renaissance-Türme Süddeutschlands,
und das mit Recht, der 1612/1613 nach Plänen des württembergischen
Landbaumeisters Heinrich Schickhardt (1558-1635) gebaute Turm der
Cannstatter Stadtkirche, der ohne große Veränderungen
und auch im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt auf uns gekommen
ist. Der Schickhardt-Turm ist nicht der erste Turm der in katholischer
Zeit den Heiligen Cosmas und Damian geweihten Kirche. Vom ehemaligen "Holzmarkt" an
der Brunnenstraße kann man ihn in seiner ganzen Pracht bewundern.
Der untere Teil besteht aus dem hiesigen Stein Travertin, der obere,
von Schickhardt entworfene Teil ist in einem farblich einheitlich(er)en
Sandstein ausgeführt, der besser den Stilidealen der Renaisscance-Architekten
entsprach. Links außen in der untersten Steinlage gleich beim
Knauf des Treppenturms, der ebenfalls 1612/13 gebaut wurde (siehe
dort die Bauinschrift über dem Eingang), ist ein "gerahmter" Stein
zu erkennen, in dem die Jahreszahl "1612" eingemeißelt ist.
Dies ist sozusagen der Grundstein des Schickhardt-Turmes, der durch
seine klare Linie, wie auch die die Unterschiedlichkeit seiner Fenstergestaltung,
die italienischen Vorbildern abgeschaut sind und am Übergang
von der Renaissance zur Barockzeit stehen. Typisch für Schickhardt
- so zum Beispiel auch in Mömpelgard zu finden - der württembergischen
Dependance in Frankreich - sind die Metallarbeiten auf dem Turmdach,
die flankierenden kleinen Türme, die vergoldete Kugel unter
dem Hahn ganz auf der Turmspitze. Im Inneren steht ein zweiter,
komplett hölzerner Turm, der die Glocken trägt, so dass
sich die Schwingungen beim Läuten nicht auf die oberen Stockwerke
des Turm übertragen kann. In der Höhe des Umgangs befindet
sich die ehemalige Türmerstube, dieser wurde von der Stadt
angestellt und finanziert und hatte u.a. die Feuerwache zu halten
und bei Bränden Alarm zu geben. Noch bis ins 19. Jahrhundert
scheint der Türmer mit seiner Familie dort oben auch gewohnt
zu haben, ab etwa 1850 verrichtete der Türmer dort nur noch
seinen Dienst. Heinrich Schickhardt stammte aus Herrenberg, aus
einer Handwerkerfamilie, von seinem Großvater Heinrich Schickhardt
dem Älteren ist das Chorgestühl der Stiftskirche in Herrenberg
erhalten. Der junge Heinrich wirkte als Gehilfe des württembergischen
Hofbaumeisters Georg Beer u.a. beim Bau des Stuttgarter Lusthauses
mit, ebenso beim Wiederaufbau Schiltachs ab 1590 nach einem verheerenden
Brand. Herzog Friedrich I. von Württemberg gab ihm ab 1593
zahlreiche Aufträge, u.a. zum Ausbau Mömpelgards (Montbéliard).
Ab 1599 entwarf er die Planstadt Freudenstadt im Schwarzwald; zum
Jahreswechsel 1599/1600 begleitete er den Herzog nach Italien, nach
Rom und führte ein genaues Tagebuch und interessierte sich
vor allem für die in Italien virulenten Ideen zu Planstädten
und Festungsbauten. 1608 wurde Schickhardt zum herzoglich-württembergischen
Landbaumeister ernannt, das bedeutete Aufträge und Gutachten
und Entwürfe zuhauf, für Brücken, Schlösser,
Bürgerhäuser, Rathäuser (z.B. die neue Fassade am
Esslinger Rathaus), Keltern, Bäder, Brunnen; außerdem
plante er die Schiffbarmachung des Neckars zwischen Stuttgart (also
Cannstatt) und Heilbronn, wofür er den ganzen Flussverlauf
kartografieren ließ. Er starb am 14. Januar 1635, inmitten
des Dreißigjährigen Krieges, in Stuttgart, erstochen
von einem Soldaten, der eine Angehörige von Schickhardt vergewaltigen
wollte und Schickhardt hatte sich
dazwischen geworfen.
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatt,
liebe Gäste der Stadt und dieses
Vlogs,
nachdem die "Cannstatter Zeitung" und
die "Stuttgarter Zeitung" über meinen
Video-Kanal ausführlich berichtet
hat (vielen Dank!), schnellte die Abonnentenzahl
innerhalb von wenigen Tagen von 43 auf
72 hoch, inzwischen haben fast 6000 Klicks
stattgefunden. Danke an alle, die sich
interessieren und Anderen davon erzählen...
Heute sind wir am Schreinerei-Brunnen,
dem Brunnen bei der Weinstube, dem Restaurant "Schreinerei" in
der Zaisgasse am Rande der Altstadt Bad
Cannstatts, dem Neckar zu. Um 1870 richtete
der Cannstatter Schreinermeister Wagner
in der damaligen Mühlgasse 4 im
ersten Stock einen „Besen“ ein,
in dem er eigenen Wein ausschenkte. Im
Erdgeschoß war die Werkstätte,
im Obergeschoss wurde über Gott
und die Welt philosophiert, bei einem
guten Viertele. 1894 begann die Ära
Bauer in der inzwischen über Cannstatt
hinaus bekannten Weinwirtschaft; Weingärtner
Karl Bauer mit seiner Frau Marie gaben
die Schreinerei auf und verlegten sich
ganz auf den Dienst am Gast. Nach dem
frühen Tod ihres Gatten führte
die junge Wirtin das Lokal alleine weiter
und versorgte ihre drei Kinder. Über
50 Jahre war Marie Bauer eine Institution
in Cannstatt, das seit 1905 mit Stuttgart
vereinigt war. Als ihr Sohn Rudolf, ebenfalls
Weingärtner, mit seiner Frau Berta
die Verantwortung übernahm, was
seine Mutter weiter mit dabei. Berta
wurde für ihren guten "Roschtbrate" bekannt.
1944 brannte das Haus nach einem Fliegerangriff
ab. Auf den Trümmern errichteten
Berta und Rudolf Bauer das zunächst
nur zweistöckige Provisorium neun.
Die alten Gäste, die noch lebten,
kamen wieder und neue gesellten sich
dazu. Auch Albert Schöchle (1905-1998),
der Direktor der Wilhelma, war Stammgast
dort, wie auch andere Honoratioren Bad
Cannstatts uns Stuttgarts. Die Tochter
Lore Bauer, später verheiratete
Epple bediente und sorgte durch ihr ansprechendes Äußeres
sicher für guten Umsatz. Lore Bauer
(Epple) war auch dabei, wenn die Narrenzunft
der Kübler aufkreuzte oder wenn
der unvergessliche Stuttgarter Oberbürgermeister
Arnulf Klett zu den Fasnets-Sitzungen
ins „kleinen Rathaus“ kam.
1992 entschloss sich Lore Bauer, Frau
des Bad Cannstatter Bauingenieurs Karl
Epple, zur Renovierung. Nach neunmonatiger
Bauzeit wurde die Weinstube wieder eröffnet.
Dann übernahmen, nach einem Interim,
in 4. Generation das Lokal und pflegten
die Tradition bis vor einigen Jahren
fort. Lore Epple starb 2016, wenige Tage
zuvor hatte sie, noch mit warmen Händen,
eine rund 90 Jahre alte Cannstatter Kanne
aus Zinn dem Stadtmuseum Bad Cannstatt übergeben,
ein Prunkstück des "Cannstatt Panoramas" im
Obergeschoss. Mit dieser Kanne, die Albert
Schöchle immer wieder von der "Schreinerei" auslieh,
wurden ab den 50er Jahren mediengerecht
die Tiere der Wilhelma getauft. Der "Schreinereibrunnen" stammt
aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, ein
typischer gusseiserner Brunnen mit recht
großem Trog, der auch als Pferdetränke
geeignet war, und einem Brunnenschaft
mit aufgesetzten Pinienzapfen, der als
Symbol für Reichtum steht. Und sich
auch sonst häufig auf Zäunen
im Cannstatter Kurviertel finden lässt.
Der "Schreinereibrunnen" wird von der
Kellerbrunnenquelle gespeist, wie auch
der Brunnen am Klösterle, der Jakobsbrunnen,
der Polizeibrunnen, der Erbsenbrunnen...
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter, heute kommt der Film sehr
spät am Tag, ich bin in Kurzurlaub in Bad Liebenzell. Und
hab es genossen, mal nicht in Cannstatt zu sein. Noch ist nicht
ganz klar, wann es mit den Führungen und unter welchen Bedingungen
weiter gehen kann. Vielleicht schon ab nächste Woche mit
der Auflage Neun plus Eins, neun Teilnehmer und ein Führer
(also ich). Ich gebe rechtzeitig auf meiner Homepage www.cannstatts-geschichte-sehen-lernen.de
Bescheid. Schauen Sie regelmäßig rein, falls Sie daran
interessiert sind, mich auch (mal wieder) live zu erleben. Der
heutige Film zeigt einige neue Fundstücke aus Ebay, die in
den letzten Tagen bei uns eingetrudelt sind. Und meine / unsere
Privatsammlungen bereichern bzw. auch die Sammlung on Pro Alt-Cannstatt.
Dazu gehören gleich mehrere Post- bzw. Ansichtskarten: Themen
sind das Volksfest 1936, der Zweikaisertreffen auf dem Landwirtschaftlichen
Fest 1857, bei dem König Wilhelm I. sowohl Zar Alexander
II. (den Bruder seiner Schwiegertochter Olga) und Kaiser Napoleon
III. nach Stuttgart bzw. Cannstatt einlud, auch um Annäherungspolitik
zu machen. Zwei weitere Ansichtskarten, aus der Zeit vor dem Ersten
Weltkrieg zeigen die Daimlersche Boots-Werft am Neckar gegenüber
dem Wilhelmatheater (vgl. Video Nr. 10) auf diesem Bad Cannstatt-Vlog),
etwa dort, wo seit 1929 die Rosensteinbrücke steht, und das
Modell des Kleinen Kursaals von Albert Eitel (vgl. Video Nr. 23)
auf diesem Vlog). Dazu kommt ein "Prima-Wechsel" über 130
Mark der Firma Rotschild & Hanauer ("Cannstatter Bettfedernfabrik")
vom 10. Juni 1904 und ein Aushang des Königlichem Oberamts
Cannstatt vom 12. November 1824, die Hochwasserschäden und
deren Beseitigung betreffend; um "dem nachtheiligen Einfluße,
welchen die letzte Ueberschwemmung und deren Folgen auf die Gesundheit
der Menschen und Hausthiere äußern könnte, möglichst
zu begegnen, findet man sich veranlaßt, nachstehende Vorsichts-Maasregeln
zur allgemeinen Nachachtung bekannt zu machen" - wie es in der
Einleitung heißt. Danach folgen acht Punkte unterschiedlicher
Ausführlichkeit. Zum Beispiel Nr. 6: "Naß gewordene
Frucht muß durch Wenden und Schaufeln und Ausbreitn auf
dem Boden getrocknet werden. Feuchtes Mehl kann im Backofen getrocknet
werden, eigentlich durchnäßtes wird besser in einen
Teig gemacht, und in dünne Scheiben zu Zwieback geformt,
den man nachher stossen uns zu Suppen und andern Mehlspeisen verwenden
kann." Interessant ist auch ein kleines Konvolut aus der Spätzeit
des Zweiten Weltkriegs, drei Feldpostbriefe, die ein in Stuttgart-Bad
Cannstatt 1944 stationierter adliger Unteroffizier in Ausbildung
seinen Eltern, der Familie von Borries, nach Kirchlengern, Kreis
Herford, in Westfalen schickte - recht ausführliche Briefe,
die den Alltag der jungen Soldaten in Cannstatt Ende 1944 zeigen.
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
Gäste der Stadt und Freundinnen
und Freunde dieses Vlogs,
das heutige
Video führt uns in die Badstraße,
zum Haus Nr. 44 (gleich beim Hochbunker
an der Rosensteinbrücke). Hier
befand sich einst, um 1868, das Abel'sche
Töchterinstitut, im 20. Jahrhundert
betrieb hier die Familie Bross für
einige Jahrzehnte eine Wäscherei.
Friedrich Bross (1868-1942) hatte zusammen
mit seiner Frau Luise (1879-1953) den
Betrieb aufgebaut. Im Ersten Weltkrieg
hatte er Anfangs in einer Reitereinheit
gekämpft, darum konnte er, als
er die kleine Steingruppe mit grasendem
Pferd und davorstehenden Soldaten mit
Stahlhelm und schwerem Mantel bei einem
Steinmetzen in Untertürkheim saß,
wie sich eine Tochter erinnerte, nicht
widerstehen und kaufte die Figur, die
vielleicht eine Art Entwurf oder Modell
für ein größeres Kriegerdenkmal
war, und holte sie in Begleitung seiner
Töchter mit dem Wäschetransporter
nach Stuttgart-Cannstatt und ließ das
kleine Denkmal an der Fassade seines
Hauses anbringen. Dort wird es regelmäßig
weiß gestrichen. Es ist also
ein rein privates Erinnerungsdenkmal
an den Ersten Weltkrieg. Der Künstler
ist mir bislang nicht bekannt. Wer
helfen kann, gerne! Haben Sie / habt
schöne Pfingsttage.
Ihr / Euer
OIaf Schulze
Historiker & Trauerredner
1. Vors. Pro Alt-Cannstatt e.V.
Liebe Cannstatterinnen und
Cannstatter, liebe Freunde
dieses Video-Blogs,
Ihnen /
Euch allen "Frohe Pfingsten".
Am letzten Maitag sind wir
wieder in der Cannstatter Altstadt
und zwar bewegen wir uns heute
rund um den "Polizeibrunnen",
der hinter dem Chor der Cannstatter
Stadtkirche am Seitenflügel
des Alten Dekanats aus dem
Jahr 1585 jeden Tag des Jahres
fröhlich sein Mineralwasser
unter großem Druck herausgießt.
Der seit etwa 1900 "Polizeibrunnen" genannte
Brunnen, an dessen gusseisernen
Brunnentrog die Jahreszahl
der Aufstellung "1831" zu finden
ist, wird täglich von
vielen Einheimischen zu Fuß oder
mit dem Auto aufgesucht, um
mehr oder weniger viele Flaschen
oder 20-Liter-Kanister mit
dem erfrischenden Nass abzufüllen,
dass auch die Kellerbrunnenquelle
liefert. Von ein paar Jahren,
als wieder einmal ein Mann
mit zehn 20 Liter-Kanistern
bei der Arbeit war, fragte
ich ihn, ob ich einmal die
Zeit stoppen dürfte, wie
lange es dauert, einen solchen
20 Liter-Kanister zu füllen,
es waren anderthalb Minuten,
90 Sekunden. Dies spricht für
die reiche Schüttung,
das Wasser selbst ist sehr
gut trinkbar... hat kaum Eigengeschmack...
der Herr benutzte es (laut
eigener Aussage) für seinen
Garten zum Gießen. Der "Polizeibrunnen" ist
der unmittelbare Nachfolger
des Cannstatter "Marktbronn",
der sich über Jahrhunderte
etwa in der Höhe des Stadtkirchenturms
auf dem "Holzmarkt" an der "Schmidener
Gasse" (seit dem 19. Jahrhundert "Brunnenstraße")
befand. Der eigentliche Marktplatz
entstand erst ab Mitte des
19. Jahrhunderts durch Abbruch
von Häusern und Scheuern,
der ursprüngliche Marktplatz
lag rund um die ab etwa 1460/1470
gebaute Stadtkirche und vor
der Kirche und dem Alten Rathaus.
Erst 1896 zogen städtische Ämter
in das Gebäude des Alten
Dekanats, darunter auch die
Cannstatter Polizeizentrale,
daher der Name "Polizeibrunnen".
Ich grüße Sie /
Euch herzlich Olaf Schulze
Historiker & Trauerredner
1. Vors. Pro Alt-Cannstatt
e.V.
Liebe
FreundINNeN und FollowerINNEN
dieses Bad Cannstatt-Vlogs,
heute am Pfingstmontag
2020 sind wird am Cannstatter
Marktplatz und betrachten
die jetzige Hauptfassade
des Cannstatter Rathauses
(Altes Rathaus), die bis
zur Sanierung in den Jahren
2007-2013 eigentlich die
Rückfassade war mit
einem eher unschönen
zweistöckigen Anbau
aus den 1880er Jahren,
der u.a. die Toilettenanlage
enthielt (zur Datierung
dieses heute verschwunden
Anbaus findet sich auch
die Jahreszahl 1916). Das
auffälligste Merkmal
der Fassade ist, dass die "Bodenlinien" der
einzelnen Stockwerke nach
links deutlich abfallen
und dass das tragende Holzfachwerk
aus dem späten Mittelalter,
mittels Flößen
nach Cannstatt transportiert,
wie entsprechende Löcher
in den Balken erkennen
lassen, schief ist. 1755
kam es zu einem Unglück,
die eine Ecke des Cannstatter
Rathauses senkte sich um
mehr als zweieinhalb Fuß (knapp
einen Meter) nach unten
ab, das Haus stürzte
jedoch nicht zusammen,
obwohl es gewaltige Geräusche
von sich ab, so gut hielt
das Fachwerk, so elastisch
war es... im Gegensatz
etwa zu einem reinen Steinbau,
der unter gleichen Bedingungen
zusammengefallen wäre.
Die Cannstatter glaubten
damals, das Ereignis würde
eine Folge des Erdbebens
von Lissabon sein (das
neun Tage zuvor, am 1.
November 1755, stattgefunden
hatte und von dem sie damals
gerade erfahren hatten),
die Erde insgesamt sei
instabil geworden. In Wirklichkeit
war es nur eine Senkung,
eine natürliche, langsame
Aushöhlung des kalkhaltigen
Gesteins (Travertin) durch
das stets neu nachströmende
Mineralwasser der Stadtsulz,
die an genau dieser Ecke
zwischen den rückwärtigen
Gebäuden des Gasthauses "Bären" und
dem Rathaus lag und erst
in den 1870er Jahren verdohlt
wurde - daher auch der
Name "Sulzbachgasse". Das
zweite besondere Merkmal
der neuen Hauptfassade
ist das "bauarchäologische
Finster", das ein Segment
des alten Eichen-Fachwerks
aus der Zeit um 1490/95
freilegt, so wie das Alte
Rathaus zu etwa 80 Prozent
eben ein spätmittelalterlicher,
repräsentativer Fachwerkbau
war, ein Kauf- und Steuerhaus
mit einer offenen Halle
im Untergeschoss und einem
großen Rats-, Fest-
und Tanzsaal darüber,
der erst seit dem 19. Jahrhundert
in Büroräume
aufgeteilt wurde. Im rechten
unteren Fenster sind Rekonstruktionszeichnungen
dieses ursprünglichen
Gebäudes, das etwa
zeitgleich mit der Stadtkirche
errichtet wurde und seither,
auch mit seinem im 17.
Jahrhundert hinzugekommenen
Dachreiter, zusammen mit
der Stadtkirche zu einem
Wahrzeichen Bad Cannstatts
geworden ist. Ein drittes,
manchen Betrachter verwirrendes
Element sind die "Fensterläden" aus
Metall, statt aus Holz,
diese sind im Bereich des
in den 1960er Jahren komplett
neu eingebauten Treppenhauses
zu finden. Da hier keine
spätmittelalterliche
Bausubstanz mehr erhalten
ist, entschieden sich die
Architekten der Sanierung
dies auch so deutlich zu
machen. Ich empfehle auch
ausdrücklich die Vorstellung
des Sanierungsprojektes
auf der Homepage der Architektengruppe
Manderscheid mit vielen
Fotos und Informationen
(http://www.manderscheid-architekten.d...).
Ferner empfehle ich ebenso
zu den bei der Sanierung
festgestellten Dendrodaten
die Seite zur Bauforschung
Baden-Württemberg
(https://www.bauforschung-bw.de/objekt...).
Haben Sie / habt noch
schöne
Rest-Pfingsten
Ihr
/ Euer Olaf Schulze
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
das heutige Video führt uns in die
Daimlerstraße, und zwar in den
Bereich zwischen Daimlerplatz und Waiblinger
Straße, der noch am ehesten den
ursprünglichen Charakter einer großbürgerlichen
Allee im Kurviertel Cannstatts bewahrt
hat. Ursprünglich hieß die
Daimlerstraße nach dem 1864 an
die Regierung gekommenen württembergischen
König Karl-Straße, der Daimlerplatz
folgerichtig Karlsplatz. Das ganze Viertel
bis zum Kursaal wurde von den alteingesessenen
Cannstattern spöttisch "Pensionopolis" genannt,
weil hier so viele Pensionäre und
ehemalige Staatsbeamte und Militärs
sich zur Ruhe gesetzt hatten. Der Film
zeigt die typischen Gebäude aus
der Zeit des Historismus mit ihren Werkstein-
und Ziegelfassaden und mehr oder weniger
aufwändigem Fassadenschmuck. Darunter
auch ein Bespiel (Nr. 36) für Jugendstilelemente. Über
dem Eingang ein Frauenkopf mit langen,
in Wellenform ausfließendem Haar,
einer Medusa nicht unähnlich, ob
sie böse Besucher abwehren sollte?
Dazu stilisierte Sonnenblumen, wie sie
für den Stuttgarter Jugendstil so
typisch sind.
Im Hinterhof der Nr. 44
befand sich viele Jahrzehnte, bis in
die späten 1950er Jahre, die Redaktion
und Druckerei der "Cannstatter Zeitung",
die 1824 (nicht 1829, wie ich im Film
dachte, aber das Jahrzehnt stimmt immerhin)
gegründet worden war. Über
dem Portal der Druckerei, in der heute
das "Blaue Kreuz" untergebracht ist,
findet sich die Porträtbüste
vom Erfinder des Buchdrucks um 1450,
von Gutenberg. Eine Anekdote um den Berufsbeginn
des jungen Hans Bayer, später Thaddäus
Troll, spielt auch hier. Dass er auch
wirklich als Volontär als "Chefredaktionspraktikant" für
zwei Monate nach bestandenem Abitur angenommen
würde, begleitete ihn im Herbst
1932 sein Vater, Paul Bayer, Seifensieder
in zweiter Generation mit Geschäft
an der Marktstraße beim Wilhelmsplatz,
zum Verleger Letsche und leitete des
Gespräch mit folgenden Worten ein: "Mein
Name ist Bayer. Ich annonciere bei Ihnen
jeden Samstag für 42 Mark. Wann
kann mein Sohn bei Ihnen als Volontär
anfangen?" Der Rest ist eine erfolgreiche
Schriftsteller- und Journalistengeschichte.
Heute sind wir in der Liebenzeller Straße
am Beginn der Kurviertels. Etwas versteckt
an einer Einfahrt liegt im hinteren Bereich
der Liebenzeller Straße Nr. 11
das ehemalige "Amtsgerichtsgefängnis
samt Einfriedung", wie es in der Cannstatter
Denkmalliste heißt (Nr. 11/1).
Es stammt aus dem Jahr 1889 und wurde
vor einigen Jahren nach jahrzehntelangem
Leerstand denkmalgerecht restauriert
und zu Wohnungen umgenutzt. Den Entwurf
des Gebäudes im sogenannten "Kameralstil" stammt
von einem Bauinspektor Leube. Zeitweise
wurde das Gebäude im 20. Jahrhundert
als Untersuchungsgefängnis für
ganz Stuttgart genutzt (und ist damit
der Vorläufer der JVA Stammheim),
aber auch als Frauengefängnis. Dies
wohl in den 1950er Jahren. Immer wieder
kam es in der Nachbarschaft zu Aufregungen,
wenn wieder einmal eine oder einer ausgebrochen
war und die Polizei im Einsatz, wie sich
alte Cannstatterinnen und Cannstatter
erinnern, so auch mein Vorgänger
im Amt Hans Betsch, der in einem Haus
der Liebenzeller Straße aufgewachsen
ist. Die Umnutzung zur Wohnbebauung fügte
Balkone an, Zellenzwischenwände
konnten herausgenommen werden, um größere
Zimmer zu erreichen, die Zellentüren
jedoch mussten als Teil der ursprünglichen
Nutzung erhalten bleiben. Sicher wohnt
es sich hier, abseits der eigentlichen
Straße, recht ruhig, mitten in
Bad Cannstatts verkehrsreicher Innenstadt.
Liebe Bad CannstatterINNEN und liebe
PforzheimerINNEN,
heute mal wieder ein
gemeinsames Video für beide Vlogs
(vgl. Video Nr. Cannstatt 22) / Pforzheim
19). Wie die Pforzheimer sicher erkannt
haben, entstand es auf dem Hauptfriedhof,
einem schönen Parkfriedhof, der
ab 1877 auf einer Hochfläche nördlich
der Stadt (der "Schanz") angelegt worden
ist und über die Zeit zu einem
stattlichen Zentralfriedhof mit rund
33 ha anwuchs. Zwar sind gerade in den
letzten zehn Jahren deutliche Verluste
an historischen Gräbern und an alten
Bäumen zu verzeichnen (wie ich finde,
meist "ohne Not"), doch gibt es immer
noch eine große Anzahl historisch
und kunsthistorisch bedeutender Gräber,
und zu diesen zählt das Grabmal
der Fabrikantenfamilie Georg Lauer in
Feld 93 in der Nähe des Haupteingangs.
Das sich nach unten verjüngende
stelenartige Pfeiler-Grab über quadratischem
Grundriss ist aus Cannstatter Travertin,
vermutlich der Fima Lauster, und ist
in den typischen Formen des Expressionismus,
der in der Mitte der 20er Jahre auf der
Höhe der Zeit war. Es trägt
auf einer Seite oben die Bezeichnung "FAMILIE
/ GEORG / LAUER" und darunter ein gelängtes,
sehr feines Kreuz, auf der gegenüberliegenden
Seite ergänzt um die Inschrift: "Sterben
ist nur / eines Tages Ende / Tod der
Schlaf der /niemals wach gewesen / niemals
schläft wer ein/mal wach gelebt".
Gerade ab den zwanziger Jahren erfreute
sich der Cannstatter "Marmor", der Travertin
mit seinen mal feineren, mal gröberen
Maserungen, seiner mal eher reinen, mal
von sandfarben über das rötliche
bis ins rostbraune changierenden Farbe
großer Beliebtheit als Baustoff
und als Fassadengestaltungselement (vgl.
eben auch die kath. Herz-Jesu-Kirche
in Pforzheim von 1929; siehe die Nrn.
oben), als Kamine und Gartenmauern, als
Grundlage für bildhauerischen Kunst
am Bau, Denkmäler oder Brunnen ,
und zwar nicht nur in Württemberg,
sondern auch im Badischen, in ganz Deutschland,
ja selbst z.B. in Hotelfoyers des Art
déco in New York. Auch Grabmäler
aus Travertin finden sich zwischen den
1920er und 1950er Jahren häufiger,
auf den Stuttgarter und Cannstatter Friedhöfen
ebenso wie auf den Pforzheimern. Das
Grabmal Lauer auf dem Pforzheimer Hauptfriedhof
ist ein besonders zeittypisches und qualitätvolles
frühes Beispiel.
Heute ein kleiner Film über das
Verlagshaus der "Cannstatter Zeitung" in
der Wilhelmsstraße 18-20, nachdem
ich bereits in einem Video über
die Daimlerstraße das ehemalige
Verlagshaus der "Cannstatter Zeitung" gezeigt
hatte (siehe Nr. 80) auf diesem Cannstatt-Vlog).
Die beiden Gebäude stammen aus der
Zeit des Wiederaufbaus, gerade in diesem
Bereich hatte die Wilhelmstraße
seit den Luftangriffen von 1943 bis Kriegsende
mehr als die Hälfte ihrer alten
Bausubstanz verloren. Besonders das rechte
Gebäude ist ein interessanter Bau,
verkleidet mit Cannstatter Travertin
und mit Klinkern/Keramik und einem die
Senkrechte betonenden Treppenhauserker
im Stil einer Rasterfassade der 50er
Jahre. (Das genaue Baujahr werde ich
noch nachreichen.) Die Cannstatter Zeitung
selbst wird bald 200 Jahre alt, 1824
erscheint erstmals in der Oberamtsstadt
Cannstatt die "Cannstatter Zeitung",
ab dem 12. Juni 1899 gibt es zudem die
Untertürkheimer Zeitung, ursprünglich
als „Generalanzeiger für Unter-
und Obertürkheim, Wangen, Hedelfingen
und Rothenberg“. Beide Zeitungen
vereinigen sich 1955 unter dem gemeinsamen
Rotenberg-Verlag, aber bis heute mit
zwei getrennten Lokalredaktionen. Zum
1. Juli 1960 übernimmt der Bechtle
Verlag&Druck aus Esslingen den Rotenberg
Verlag in Bad Cannstatt. Die Südwestdeutsche
Medien Holding (SWMH) wiederum erwirbt
87 % an der Eßlinger Zeitung und
damit auch an der Cannstatter/Untertürkheimer
Zeitung. Der Druck der beiden Blätter
erfolgt bei Bechtle Verlag&Druck
in Esslingen a.N. Wie bei den meisten
deutschen Tageszeitungen hat auch die "Cannstatter
Zeitung" in den vergangenen Jahren an
Auflage eingebüßt, und zwar
um durchschnittlich 1,4 % pro Jahr. Die
verkaufte Auflage beträgt gegenwärtig
knapp 7000 Exemplare, der Anteil der
Abonnenten liegt bei etwa 76 Prozent.
Der jetzige Chefredakteur der CaZe ist
Ulrich (Uli) Nagel, er folgte letzten
Jahr Siegfried Baumann nach, der die
Zeitung, auch mit seiner Reisebegleitung, über
Jahrzehnte geprägt hatte (Homepage:
www.cannstatter-zeitung.de)
Das heutige Video führt uns wieder
in Stadtmuseum Bad Cannstatt (zum Stadtmuseum
und zum "Klösterle" siehe Videos
Nr. 0), Nr. 1), Nr. 12), Nr. 24), Nr.
33), Nr. 37), Nr. 60) und Nr. 71) auf
diesem Bad Cannstatt-Vlog). Während
des Untergeschoss des Museums seit Mittwoch,
den 13. Mai 2020, wieder geöffnet
ist (zeitgleich sind nur drei Besucher
oder eine Familie zugelassen mit Mund-Nase-Schutz),
so ist das Obergeschoss mit großen
Teilen der im Jahre 2016 neu gestalteten
Dauerausstellung "Cannstatt Panorama" bis
auf Weiteres weiterhin für den Besucherverkehr
gesperrt. Dies hat mich dazu geführt,
Ihnen in unregelmäßigen Abständen,
den Bestand des Obergeschosses auf den
Videos mit kleinen summarischen Führungen
vorzustellen. Nach dem Bereich "Neckarstadt" und "Altstadt/Klösterle" in
Video Nr. 71) auf diesem Vlog ist heute
der Bereich "Typisch Cannstatt" an der
Reihe. Hier wird die Frage beantwortet,
was ist für die Cannstatter, aber
was ist auch für die Besucher, die
Fremden, so typisch für Bad Cannstatt,
dass das Thema gleich genannt wird, wenn
man einen Einheimischen oder einen Fremden
danach fragt. Dazu gehört Cannstatts
besondere Lage am Neckarknie, zwischen
den Bergen mit schönen Aussichten
auf die Stadt im Tal und in den Halbhöhenlagen.
Dazu gehört auch die "Weiße
Flotte" auf dem Neckar, wenn diese auch
in den letzten Jahren durch die zahlreichen
Maßnahmen rund um "Stuttgart 21" sehr
leiden musste und aufgrund schwindender
Besucherzahlen ihren "Fuhrpark" verkleinert
hat. Typisch für Cannstatt sind
ist die vom Brauchtumsverein "Kübelesmarkt" aufgebaute
Fasnet mit ihren inzwischen klassischen
Narrenfiguren, den "Felben", den "Monden" und
dem "Brunnengeist" sowie den "Mondlöschern" und "Waschweibern" und "Küblern" mit
ihren markanten Hüten mit überlanger
Feder. Hier schließt sich auch
nahtlos der Bereich mit Cannstatter Originalen
an, von denen drei Wirte und ihre Geschichte
vorgestellt werden - nämlich der "Rößle-Wirt" Wilhelm
Hahn, wegen dem der Friedensschluss mit
Frankreich 1871 angeblich problemlos
vonstatten ging; der "Bäcka Metzger",
der in der Neckarvorstadt ein beliebte
Weinstube betrieb und mindestens ebenso
schlagfertig war wie den "singende
Weinvogt" Dieter Zaiss mit seinem "Cannstatter
Oberamt" auf dem Volksfest und seiner
Weinstube in der Erbsenbrunnengasse.
Weitere Typisch-Cannstatt-Themen sind
das Volksfest (von denen es auch drei
in Philadelphia, Chicago und New York
gibt) und der Cannstatter Wasen als Ort
für "Großveranstaltungen",
von den Kaisermanövern im späten
19. Jahrhundert über Flugschauen
rund um den Ersten Welt krieg bis hin
zu Popkonzerten, etwa der Rolling Stones.
Der VfB und die Anfänge des Fußballsports
gehören genauso zum Cannstatt-Typischen
wie der "Urban" des Gartenbauvereins
aus dem Jahr 1894 mit seinen zahlreichen
Stiftungen bis in die letzte Zeit (vgl.
Video Nr. 12) hier auf diesem Cannstatt-Vlog)
und schließlich die Tiertaufkanne
der Wilhelms zu Zeiten des Direktors
Albert Schöchle (1905-1998), eine
rund 90 Jahre alte "Cannstatter Kanne" aus
Zinn, die sich Schöchle immer aus
der Weinstube "Schreinerei" ausgeliehen
hatte, damit die Tiere mediengereicht
mit "Cannstatter Zuckerle" getauft werden
konnten, wie ein 1951 in der Wilhelma
geborenes Löwenbaby.
Viel Spaß damit...
mit freundlichen Grüßen Olaf
Schulze,
Mitkurator des Dauerausstellung "Cannstatt
Panorama" (zusammen mit Herrn Dr. Manfred
Schmid, dem damaligen Leiter des Stadtmuseums
Bad Cannstatt, und der Studio-Gemeinschaft
Christoph Emde / Raimund Docmac als Ausstellungsgestaltern;
ausgezeichnet 2017 als "Vorbildliches
Heimatmuseum im Regierungspräsidium
Stuttgart")
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
liebe Freunde des Bad Cannstatt Video-Blogs
hier auf YouTube,
vermutlich in der laufenden
Woche werde ich, wie meine Kolleginnen
und Kollegen derzeit in Baden-Württemberg
auch, wieder mit Führungen im Freien
beginnen können. Vermutlich mit
einer beschränken TeilnehmerINNENzahl,
mit einer Teilnehmerliste etc., mit der
anderthalb Meter-Abstandsregel etc. D.h.
auch, dass ich von jetzt an den Rhythmus
meiner Videobeiträge entzerren werde,
wie ich es auf meiner Homepage von Anfang
an angekündigt hatte. Bis wieder
völlig normale Zustande einkehren
werden, werde ich täglich einen
Film im Wechsel aus Pforzheim ODER Bad
Cannstatt auf diesem Vlog hochstellen.
Mit dem gestrigen Film über Pforzheim
begann dieser neue Rhythmus, vielleicht
nicht mehr ganz rechtzeitig "heute",
am Montag, den 8. Juni 2020, nach einem
mit Besprechungen angefüllten Tag,
kommt nun der erste Cannstatter Film
dran. Liebe Followerinnen und Follower,
haben Sie bitte Verständnis dafür,
dass nun auch wieder andere Tätigkeiten
bei mir in den Vordergrund rücken.
Und vielen Dank für Ihr bisheriges
Interesse... Ich würde mich auch
freuen, den Einen oder die Andere von
Ihnen einmal bei meinen Führungen
begrüßen zu dürfen. Wie
und wann genau es wieder in Bad Cannstatt
losgeht, entnehmen Sie bitte in den nächsten
Tagen meiner Homepage: www.cannstatts-geschichte-sehen-lernen.de;
vielen Dank. Der heutige Film beginnt
am Königsplatz, wie der Platz vor
dem Cannstatter Kursaal offiziell heißt
(doch kaum einer weiß dies). Von
den Grünanlagen geht es über
die Straßenbahnschienen zum Reiterdenkmal
für König Wilhelm I. von Württemberg
(1781-1864; König 1816-1864). Aufgestellt
wurde das Denkmal 1875 zunächst
auf dem Wilhelmsplatz und mit einer großen
Feier am 25. September dieses Jahres
eingeweiht. Carl Heinrich Beck berichtet
in seiner 1900 erschienen "Cannstatter
Chronik über die zweite Hälfte
des XIX. Jahrhunderts" Folgendes: "Am
27. September fand die Einweihung des
König Wilhelm-Denkmals auf dem Wilhelmsplatz
statt. Deputationen aus allen Oberämtern,
und von allen landwirtschaftlichen Vereinen,
ferner Bauernabordnungen in Volkstrachten
nahmen an der Feier teil. Neben den Majestäten
waren sämtliche Prinzen und Prinzessinnen
des Königlichen Hauses, die Königin
der Niederlande, sämtliche Minister
und Hofstaaten erschienen. 200 Sänger
und 2 Militärkapellen wirkten mit.
Die ausgezeichnete Festrede hielt Professor
Daiber, die Uebergabe des Denkmals erfolgte
durch Oberamtmann Regierungsrat v. Kegelen,
die Übernahme durch Stadtschultheiß Rupp.
Auf dem Sulzerrain wurden bei der Enthüllung
25 Kanonenschläge gelöst. Die
Sänger trugen unter Musikbegleitung
eine von J. G. Fischer eigens für
diesen Tag gedichtete Festhymne vor.
Ein Festmahl von über 500 Gedecken
vereinigte die Teilnehmer im Kursaal,
wobei Toaste ausgebracht wurden von Regierungsrat
v. Kegelen auf den König, von Stadtschultheiß Rupp
auf die Königin, von Dekan Krauß auf
das Königshaus, von Staatsminister
a. D. v. Linden auf das Denkmalkomite,
von Oberstallmeister Graf v. Taubenheim
auf Cannstatt, von Minister Hölder
auf das Heer etc. Der Entwurf des Denkmals
ist von Professor Halbig in München,
der Guß von Erzgießer v.
Miller daselbst." Das Denkmal wurde
also in einer Münchener Gießerei
angefertigt, der Künstler ist der
Münchner Bildhauer Johann von Halbig
(1814-1882), der u.a. auch den "Löwen" in
der Lindauer Hafeneinfahrt schuf. Finanziert
und errichtet wurde es von König
Wilhelms I. "dankbaren Volke", wie es
auch auf dem Sockel heißt. Das
Geld kam dabei aus Cannstatt, aber auch
aus Orten im ganzen Cannstatter Oberamt
Bereits im September 1881 wurde das Denkmal
mittig vor dem Großen Kursaal platziert
und steht dort seither unangefochten
(nur seit einigen Jahren auch "unangestrahlt" in
der Nacht) und ist ein kaum zu übersehender
und beliebter Treffpunkt, nicht nur für
Gruppen, sondern auch bei Rendezvous.
Der König reitet "hoch zu Ross" und
hält die Württembergische Verfassung
von 25. September 1819 in der rechten
Hand, als Rolle und mit Siegel. Es ist
dies sicher ein würdiger Platz für
den Förderer Cannstatts in mehrfacher
Hinsicht - der junge König wählte
die Sauerwasserstadt am Neckar zu seiner
Sommerresidenz und ließ hier gleich
zwei Schlösser errichten (Rosenstein
und Wilhelma) und förderte auch
den Ausbau des Kurbetriebes mit dem von
Nikolaus Friedrich von Thouret (1767-1845)
entworfenen Kursaal sogar aus eigener
Schatulle und trank auch das Cannstatter
Mineralwasser aus der noch zu seinen
Lebzeiten nach ihm benannten Quelle regelmäßig.
Mit der Stiftung des Volksfestes wirkt
er bis heute nach, auch wenn das Cannstatter
Volksfest dieses Jahr wegen Corona nicht
stattfinden kann.
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
Freunde dieses Bad Cannstatt-Vlogs,
wären
wir in den Vereinigten Staaten (manchmal
ist man froh, dass man es nicht ist),
und die Villa von Ford wäre durch
ein Unglück abgebrannt, so wie die
Daimler-Villa, die seit Mitte der 1930er
Jahre als Kuranstalt gedient hatte und
im Zweiten Weltkrieg durch eine Luftmine
zerstört wurde, so wäre sie
längst wieder aufgebaut. Zwar gab
es in den 1950er und 1960er Jahren bei
der Stadt Stuttgart Überlegungen
in dieser Richtung, aber geschehen ist
nichts, außer dass in die fast
komplett niedergelegten Ruinenteile über
einem (vermutlich) verfüllten Keller
ein paar Sitzbänke aufgestellt wurden.
In den letzten Monaten kamen im Kurpark
noch Hinweistafeln hinzu, finanziert
von der Daimler AG und inhaltlich mitbetreut
von Matthias Busch (und meiner Person)
von Pro Alt-Cannstatt. Dort ist beim
Daimlerturm (vgl. Video Nr. 15) in diesem
Cannstatt-Vlog) und bei der Villa die
Geschichte der Gebäude nachzulesen,
ergänzt um historische Fotografien.
1882 hatte Gottlieb Daimler eine etwa
zehn Jahre alte Gründerzeitvilla
mit großem Garten an der noch kaum
ausgebauten Taubenheimstraße gekauft,
später etwas ausgebaut und lebte
dort mit seiner Familie, zunächst
der ersten Frau Emma (gest. 1889) und
den Kindern aus erster Ehe, und dann
mit seiner zweiten Frau Lina und den
zwei Kindern aus der zweiten Ehe, bis
er im März 1900 starb. Die "Kommerzienratswitwe
Daimler" verkaufte den unteren Garten
Anfang der 1920er Jahre an die Stadt
Stuttgart, die die Villa zunächst
für Wohnzwecke nutzte, Mitte der
1930er Jahre wurde dort die "Kuranstalt
Daimler" eingerichtet. Den oberen Garten
mit dem Daimlerturm behielt Lina Daimler,
und errichtete sich dort ein neues Wohnhaus,
das sie bis zu ihrem Tod 1932 bewohnte.
Das Gebäude selbst wurde in den
1970er Jahren abgerissen, heute ist dort
ein weiterer Tennisplatz des Cannstatter
Tennis-Clubs. Der Jugendstilzaun mit
seinen geschwungenen Ornamenten und das
alte Haupttor der Villa, von Lina Daimler
um 1905 in Auftrag gegeben, ist noch
in Teilen erhalten - damit beginnt das
Video.
Haben Sie / habt gute Tage
Ihr
/ Euer Olaf Schulze
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter, liebe Freunde dieses Bad Cannstatt-Vlogs,
das heutige Video entstand in der Wilhelmstraße, dem ehemaligen Stadtgraben
(der bei den Cannstattern im frühen 19. Jahrhundert auch "Hummelgraben" hieß)
und zeigt zwei markante Gebäude, das eine Eckhaus zur Liebenzeller Straße,
die Nummer 16 und das Richtung Wilhelmstraße liegende Nachbarhaus, eine
Jugendstilvilla aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die Villa Bucher
ist ein schönes Beispiel für Fabrikantenvillen dieser Epoche, die
Familie hat nach einem Verkauf nach dem Zweiten Weltkrieg, das Haus vor etwa
zwanzig Jahren wieder erworben, vorbildlich restauriert und mit Schallschutzfenstern
versehen. Das links daneben stehende Eckhaus hat verschiedene Phasen der Nutzung
und des Ausbaus hinter sich. Das an der Wilhelmstraße stehende Gebäude
mit seinem straßenseitigen Giebel und den drei Halbbogenfenstern entstand
in der Zeit um 1830 als eines der ersten Gebäude an der neuangelegten,
nach dem großen Förderer Cannstatts, König Wilhelm I., benannten
Wilhelmsstraße. Um 1920 wurde das Gebäude, dem etwa zu dieser Zeit
ein Fabriktrakt an der Liebenzellerstraße mit großen Fenstern zugefügt
worden war, durch die Firma Schokoladenfabrik Alfred Ritter Cannstatt erworben.
Im Jahr 1912 hatte Alfred Ritter (1885-1953) nicht nur geheiratet sondern auch
seine Firma begründet. Die Erfolgsgeschichte begann mit der Wahl seiner
Frau, der Süßwarenladenbesitzerin aus der Cannstatter Bahnhofstraße
Clara Göttle (1877-1959), und einer ersten Unterkunft in der Sodener Straße
12. 1920 waren die ersten Produktionsräume zu klein geworden, und Alfred
und Klara Ritter verlegten ihren Firmensitz hier in die Wilhelmstraße
16, wo Clara immer ein gutes Auge auf die Produktion und die vielen Arbeiterinnen
hatte. Im Jahr 1930, nachdem in Cannstatt die Kapazitätsgrenze erreicht
war, verlegte man die Firma nach Waldenbuch, wo sie bis heute sitzt und wo
Clara Ritter im Jahr 1932 die Sportschokolade erfand, eine kompakte, quadratische
Tafel mit 16 kleinen, abbrechenbaren quadratischen Stücken, die so dick
waren, dass sie in der Hand und in der Jackentasche nicht so leicht schmolz.
Heute ist "Ritter Sport" eine weltbekannte Marke, die 2018 weltweit 3 Millionen
Tafeln täglich produzierte, ebenso wie der Werbespruch, der Allgemeingut
geworden ist: "Quadratisch, praktisch, gut".
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
liebe Gäste und Freunde der Stadt
und diesen Vlogs, den es bald drei Monate
gibt, und der inzwischen knapp 7500mal
geklickt wurde (danke dafür!), das
Denkmal für Gottlieb Daimler steht
nicht mehr an der ursprünglichen Stelle.
Es wurde, spätestens um 1940, in die
Nähe der heutigen Daimler-Gedächtnisstätte
versetzt. Postkarten aus den 1930er Jahren
zeigen es noch unterhalb der Ende des Zweiten
Weltkriegs zerstörten Villa Daimler,
mittig in den Zaun integriert, in der seit
ca. 1936 die "Kuranstalt Daimler" untergebracht
war (vgl. Video Nr. 86) auf diesem Bad
Cannstatt Vlog). Am 1. Juni 1902 wurde
das Denkmal feierlich enthüllt, zahlreiche
Honoratioren aus dem damals noch selbständigen
Cannstatt und Schorndorf und auch Stuttgart,
sowie Vertreter der Württembergischen
Ingenieur-Vereins, der das Denkmal in Auftrag
gegeben hatte, waren anwesend und ehrten
den zwei Jahre zuvor verstorbenen Gottlieb
Daimler und seine Familie. Der Entwurf
und die Ausführung des Reliefs, ein
zeitgenössischer Gipsabguss ist im
(derzeit wegen Corona geschlossenen Obergeschoss
des Stadtmuseums Bad Cannstatt im Bereich "Mobilitätsstadt" zu
sehen), oblag dem in Cannstatt geborenen
Jugendstilbildhauer Emil Kiemlen (siehe
die Videos Nr. 4), Nr. 19), Nr. 36) und
Nr. 51) hier), der als Vorlage eine auch
heute noch recht bekannte Fotografie Daimlers
verwendete. Das Porträt ist teilweise
von Lorbeer umrankt. Die Inschrift lautet: "Gottlieb
Daimler 1834-1900 Dem Schöpfer des
Daimler-Motors, der im November 1885 in
diesem Garten sein erstes Automobil gefahren
hat. Württembergischer Ingenieur-Verein
1902."
Liebe Bad Cannstatter und Bad Cannstatterinnen,
liebe Freunde dieses nun drei Monate
bestehenden Corona-Video-Blogs auf YouTube,
noch gehen mir die Themen nicht aus,
auch wenn sich manche berühren.
Vor einiger Zeit hatte ich ein Video
(Nr. 51) auf diesem Cannstatt-Vlog) hochgestellt,
das auf dem Steigfriedhof entstand und
das Familiengrab der Familie Lade / Peter
zeigte. Heute sind wir in der Cannstatter
Altstadt, und zwar in die Spreuergasse,
die noch bis in die 1960er Jahre landwirtschaftlich
geprägt war (vgl. auch das Video über
den "Ackerbürger", Nr. 21). Dort,
gegenüber der Einmündung der
Sulzbachgasse, befindet sich ein Haus,
das vermutlich in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts entstand und in
dem heute im Erdgeschoss eine Bar untergebracht
ist; in diesem Haus wohnte, bevor er
Anfang der 1920er Jahre in das erste
Haus der Altenburg zog (vgl. Video Nr.
35), Christian Peter (1854 - 1938), mitbeteiligt
am legendären Mondlöscher-Einsatz
der Cannstatter Feuerwehr am Karsamstag
1887. Er war der Vater von Sophie Tschorn
(1891 - 1975), dem berühmten "Gretle
von Strümpfelbach", einer Pionierin
des Rundfunks im Stuttgarter Raum. Eine
Tafel des Historischen Pfads von Pro
Alt-Cannstatt erinnert an die beiden.
Rechts davon befindet sich das traditionsreiche
Gebäude des "Stadtgrabens" (dessen
damaliger Wirt nach dem Zweiten Weltkrieg
nach Aussage alter Cannstatter in seiner
Gaststätte einen Schwarzmarkt betrieb).
Das heutige Video führt uns wieder
in Stadtmuseum Bad Cannstatt (zum Stadtmuseum
und zum "Klösterle" siehe Videos
Nr. 0), Nr. 1), Nr. 12), Nr. 24), Nr.
33), Nr. 37), Nr. 60), Nr. 71) und Nr.
84) auf diesem Bad Cannstatt-Vlog). Während
das Untergeschoss des Museums seit Mittwoch,
den 13. Mai 2020, wieder geöffnet
ist (zeitgleich sind nur drei Besucher
oder eine Familie zugelassen mit Mund-Nase-Schutz),
so ist das Obergeschoss mit großen
Teilen der im Jahre 2016 neu gestalteten
Dauerausstellung "Cannstatt Panorama" bis
auf Weiteres weiterhin für den Besucherverkehr
gesperrt.
Dies hat mich dazu geführt,
Ihnen in unregelmäßigen Abständen,
den Bestand des Obergeschosses auf den
Videos mit kleinen summarischen Führungen
vorzustellen. Nach dem Bereich "Neckarstadt" und "Altstadt/Klösterle" in
Video Nr. 71) und dem Bereich "Typisch
Cannstatt" Nr. 84) auf diesem Vlog sind
heute drei Bereich der großen U-förmigen
Vitrine im Blick und zwar die Kapitel "Amtsstadt",
Königsstadt" und "Mineralwasser-
und Kurstadt". Das Amt und spätere
Oberamt Cannstatt, das bis 1921 existierte
(also über die Vereinigung der
Stadt Cannstatt mit Stuttgart am 1. April
1905 hinaus), wird in seiner Größe
gezeigt. Exemplarisch sieht man ein Ortschild
aus dem 19. Jahrhundert, hier Rothenberg
(wo die Grabkapelle an der Stelle der
im Auftrag König Wilhelms I. abgerissenen
Stammburg steht), ferner einige Zunftpetschaften
(Stempel), da viele Cannstatter Zünfte
auch Mitglieder in anderen Oberamtsorten
hatten. Besonders beeindruckend sind
zwei "Bürgermeisterporträts" aus
dem Jahr 1654, die vor einigen Jahren
durch die Stadt Stuttgart (damals durch
den Planungsstab Stadtmuseum Stuttgart)
und durch Pro Alt-Cannstatt im Kunsthandel
erworben werden konnten, die die Vertreter
der Familie Heller und Spittler zeigen,
die im Rat der Stadt Cannstatt als Bürgermeister
(Johann Georg Heller, 54 J.) bzw. als
Ratsherr (Johann Spitter, 40J.; der später
auch Bürgermeister wurde) saßen,
gerade zu einem Zeitpunkt, als das ehemalige
Kauf- und Steuerhaus zum Rathaus umfunktioniert
wurde (vgl. u.a. Video Nr. 79) auf diesem
Cannstatt-Vlog). Interessant sind auch
deren Berufe als Thurn- und Taxis'scher
Reichsposthalter bzw. als Hauptzoller
Cannstatts. Vermutlich bei Umbauten des
Rathauses im frühen 19. Jahrhundert,
als der große Saal in Büros
aufgeteilt wurde, wurde die Gruppe aus
12 Ratsherren und 1 Bürgermeister
auseinandergerissen. Vielleicht sind
noch irgendwo weitere erhalten... also,
wenn Ihnen was begegnet... melden Sie
sich beim Stadtmuseum Bad Cannstatt oder
beim Verein Pro-Alt Cannstatt. Das zweite
heute betrachtete Kapitel führt
uns in die Bedeutung Cannstatts als "Königsstadt".
Es war vor allem ein König, der
sich hier besondere Verdienste erworben
hat, König Wilhelm I. von Württemberg,
dessen Denkmal vor dem Kursaal steht
(vgl. Video Nr. 85) und der sowohl den
Kurbetrieb Cannstatts förderte als
auch zwei Schlösser auf Cannstatter
Gemarkung errichten ließ, das Schloss
Rosenstein und die Wilhelma (vgl. Videos
Nr. 10), Nr. 45) und Nr. 62). Wer eine
Schublade unter der Vitrine öffnet,
was zu Corona-Zeiten leider nicht erlaubt
ist, aber das Obergeschoss ist ja grundsätzlich
gesperrt, der entdeckt u.a. Fotos nach
Postkarten der Wilhelma, die des Königs
privates Schlafzimmer und sein Arbeitszimmer
zeigen. Das dritte und letzte Kapitel
des heutigen Videos führt uns in
einen damit eng verknüpften Bereich,
denn unter König Wilhelm I. erfuhr
die "Mineralwasser- und Kurstadt" Cannstatt
einen enormen Aufschwung durch eine gezielte
Entwicklung eines Kurviertels mit Kursaal,
Brunnen und Kurpark. Ausgestellt sind
auch drei Mineralwasserflaschen aus der
Zeit um 1940 bzw. 1988, als die Abfüllung
des "Schwabensprudel" endgültig
eingestellt wurde. In einer Schublade
entdecken wir ein Poesiealbum einer höheren
Tochter aus dem "Kleemann'schen Töchter-Institut",
das von 1852 bis etwa 1875 bestand. Es
gehörte einer Schülerin namens
Emilie Doderer und wurde 1873 angelegt.
Insgesamt 33 Mitschülerinnen aus
der Schweiz, Österreich, Großbritannien,
den USA und vielen deutschen Ländern
haben sich damals eingetragen. Darunter
auch am 2. Februar 1874 eine Mary Yetter
aus New York mit englischen Versen nach
dem berühmten Schriftsteller Robert
Louis Stevenson: »Vergiss mich
nicht, ich bitte nur um diese bescheidene
Gunst / von Dir. / Und möge es eine
einfache Aufgabe sein / manchmal an mich
zu denken.« - »Forget me
not ...« Viel Spaß damit...
mit freundlichen Grüßen Olaf
Schulze,
Mitkurator des Dauerausstellung "Cannstatt
Panorama" (zusammen mit Herrn Dr. Manfred
Schmid, dem damaligen Leiter des Stadtmuseums
Bad Cannstatt, und der Studio-Gemeinschaft
Christoph Emde / Raimund Docmac als Ausstellungsgestaltern;
ausgezeichnet 2017 als "Vorbildliches
Heimatmuseum im Regierungspräsidium
Stuttgart")
Liebe
Cannstatterinnen und Cannstatter,
liebe Freunde dieses Video-Blogs
auf YouTube,
heute sind wir in einem
der ältesten Häuser in
der Altstadt Bad Cannstatts zu Gast.
Vor 25 Jahren wurde das Eckhaus Brählesgasse
21, Ecke Hagelschieß, von seinem
Besitzer vorbildlich saniert. Dabei
kamen u.a. in einem Raum im ersten
Stock heute verkleidete Wandmalereien
zu Tage und ein original erhaltener
Dachstuhl samt Gefüge - also
die Balken und die Konstruktion stammen
aus der Mitte des 14. Jahrhunderts,
laut Jahresringdatierung von 1348,
und sind damit noch einmal 125 Jahre älter
als das "Klösterle" von 1463;
vgl. u.a. Video Nr. 24) auf diesem
Bad Cannstatt-Vlog. Hier betreibt
seit längerer Zeit Thomas Fast
sein "Fast-Audio"-Studio für
hochkarätige Klangerfahrungen "von
der Platte". Wer sich dort einmal
eine Jazz- oder Klassikvinylscheibe
hat auflegen lassen, der hatte den
Eindruck, selbst im Konzert zu sitzen.
Thomas Fast hatte das Haus auch schon
einmal für eine Gruppe von Pro
Alt-Cannstatt geöffnet und zeigt
gerne donnerstags, freitags und samstags
sein auf zwei Stockwerke verteiltes
Studio und auf Nachfrage auch den
historischen Dachstuhl, der der bislang älteste
ist, den man in Bad Cannstatt kennt
bzw. dendrochronologisch untersucht
hat. Pro Alt-Cannstatt hat übrigens
schon vor einigen Jahren den Beschluss
gefasst, Jahresringdatierungen an
Cannstatter Häusern mit einem
Zuschuss teilzufinanzieren. Bislang
hat noch kein Eigentümer davon
Gebrauch gemacht. Die unteren Stockwerke
des Hauses sind in Teilen deutlich
jünger, sie stammen vor allem
aus dem 18. Jahrhundert. Ob der komplette,
mittelalterliche Dachstuhl immer
hier stand, oder z.B. im 18. Jahrhundert
von einem Abbruchhaus gekauft wurde
und hier nur verbaut, ist wohl nicht
mehr zu klären. Trotzdem ist
der Dachstuhl, mit seinen nur grob
behauenen, wie gewachsenen, rußgeschwärzten
Balken beeindruckend. Wer mehr über
dieses besondere Altstadthaus erfahren
möchte, in dem um 1900 die Wirtschaft "Zu
den drei Hasen" untergebracht war
und ab den 1920er Jahren der Alteisen-
und Lumpenhandel einer Familie Hirrlinger,
der schaue hier:*
https://www.stuttgarter-nachrichten.d... Bzw.
hier: https://holzmann-bauberatung.de/das-a...
Und
hier: https://www.bauforschung-bw.de/objekt...
Wer
mehr über Thomas Fast
und sein Studio erfahren will,
der schaue hier: https://www.fastaudio.com/ Ich
betone ausdrücklich, dass ich
für dieses Video weder von Herrn
Fast noch von einer dritten Person
eine geldliche Zuwendung bekommen
habe. (Nur im Anschluss an die Dreharbeiten
ein Glas Sekt!)
Haben Sie / habt
gute Tage
Olaf Schulze, Historiker & Trauerredner
1. Vors. Pro Alt-Cannstatt
e.V.
Liebe
Cannstatter und Cannstatterinnen,
Follower dieses Bad Cannstatt-Vlogs,
das Hauptportal der evangelischen
Stadtkirche Bad Cannstatt, die ehemals
Cosmas und Damian geweiht war (vgl.
auch die Videos Nr. 74) und Nr. 78)
in diesem Cannstatt-Video-Blog),
ist in zweifacher Weise interessant.
Das ist zum Einen eine bei einer
Renovierung kurz nach 1900 wiederentdeckte
spätmittelalterliche Wandmalerei
im Tympanon (dem Bogenfeld) über
der Tür. Die Malerei stammt
aus der Bauzeit des Kirchengebäudes,
dessen Hauptbestand zwischen 1460/70
und 1506 unter der Baumeisterfamilie
des Aberlin Jörg entstand. Das
gleiche Motiv, die Kreuztragung Christi
auf dem Weg nach Golgatha, befand
sich, in Stein gehauen, auch über
dem im Zweiten Weltkrieg fast völlig
zerstörten Aposteltor der Stiftskirche
in Stuttgart. Eine Malerei war natürlich
wesentlich billiger als das Werk
eines Steinmetzen und Bildhauers,
so verwundert es nicht, dass in der
Amtsstadt Cannstatt damals auf das
Geld geschaut wurde, man war nicht
die Residenz. Unter den Zeugen der
Szene, gerade ist Christus unter
der Last des Kreuzes zusammengebrochen
und versucht wieder aufzustehen,
sind ganz rechts Maria und der Jünger
Johannes, der sie begleitet (beide
erkennbar durch einen Heiligenschein),
etwas weiter links Veronika mit dem
Schweißtuch, auf dem sich auf
wundersame Weise das Abbild Christi
abzeichnet (vgl. auch das "Grabtuch
von Turin"). Wir sehen römische
Soldaten und Schergen, ein Zuschauer
ganz linkts lugt mit seinem Kopf über
den Hügel, er ist Zeuge des
Ereignisses wie die Betrachter. Vor
dem Kreuz steht noch fast aufrecht
Simon von Cyrene, der von den Soldaten
gleich gezwungen wird, das Kreuz
weiter zu tragen. Darunter befindet
sich zum Anderen eine Bronzetür,
die der bedeutende Künstler
Ulrich Henn (1925-2014; geboren in
Schwäbisch Hall), der 1947 als
Bildschnitzer und Restaurator in
Stuttgart angefangen hatte und ab
1953 auch Werke aus Bronze schuf.
Nachdem er sich eine Sehne der linken
Hand verletzt hatte, gab er das Arbeiten
in Holz 1958 auf und modellierte
nur noch für den Bronzeguss
(Wachsausschmelzverfahren). Er schuf
insgesamt 36 Kirchenportale, nicht
nur in Deutschland, sondern auch
in Österreich, Luxemburg und
den USA, wie die monumentalen Kirchenportale
der National Cathedral in Washington
DC (USA) oder der St. James Cathedral
in Seattle (USA). "Zu Henns Auftraggebern
zählten sowohl evangelische
als auch katholische Kirchengemeinden.
Jedes von ihm geschaffene Objekt – einerlei
ob Kirchentür, Altarkreuz oder
Tabernakel – will eine Botschaft
vermitteln, die in der Bibel begründet
liegt. Er reduzierte das Bildprogramm
stark und stilisierte die Figuren
bis ins Zeichenhafte."
(Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_...)
So entstanden zum Beispiel in den
1960er Jahren Portale für die
Heilbronner Kilianskirche, die Stiftskirche
in Tübingen und die Stadtkirche
in Pforzheim (vgl. Video Nr. 53)
auf meinem Pforzheim-Vlog). Das Cannstatter
Portal entstand 1962 und gehört
zu dieser Epoche seines künstlerischen
Werkes. Damals war Ulrich Henn auch
von Stuttgart in die Eifel gezogen,
wo er seit 1962 in Üxheim-Leudersdorf
bis zu seinem Tod mit 95 Jahren
lebte und arbeitete
(vgl. http://www.ulrichhenn.de/wV.htm).
Das Cannstatter Portal, aus zwei
Flügeln bestehend, zeigt links
das Gleichnis von den ungetreuen
Arbeitern im Weinberg (Matthäus
20, 1-16), unten sieht man Weinstöcke
- Bezug zur Weinstadt Cannstatt -
und in einem Bottich wird die Maische
getreten, oben sind die Arbeiter
dabei, den Sohn des Weinbergsbesitzers
mit Prügeln und Steinen zu töten.
Auf dem rechten Türflügel
erkennt man die "Ecce homo"-Szene.
Pontius Pilatus links, der römische
Statthalter, führt den gedemütigten
Jesus mit Dornenkrone und "Krönungsmantel" dem
Volk von Jerusalem vor und fragt
dieses, was er mit ihm tun solle.
Die Antwort: "Kreuzige ihn!" (Johannes
19, 4-6)
Die Stadtkirche
verfügt über
ein wirklich beachtenswertes Portal
in der Kunstauffassung der frühen
60er Jahre eines bedeutenden, international
tätigen Bildhauers, der sich
fast ausschließlich dem
sakralen Bereich zugewendet hatte.
Liebe Cannstatter und Cannstatterinnen,
liebe Pforzheimer und Pforzheimerinnen,
liebe FreundINNeN dieses Vlogs, wieder
mal ein gemeinsames Video für beide
Vlogs, allerdings weder in Bad Cannstatt
noch in Pforzheim aufgenommen, sondern
in der Kirche von Bad Teinach. In dem
eher schlichten barocken Kirchenbau befindet
sich die berühmte und vielbesprochene "Kabbalistische
Lehrtafel der Prinzessin Antonia von
Württemberg". Prinzessin Antonia
(1613-1679) war die Tochter, die Schwester
und die Tante eines regierenden Herzogs
von Württemberg, sie verlor in den
Wirren des Dreißigjährigen
Krieges nicht nur früh ihre Eltern,
sondern das Land Württemberg und
auch die fürstliche Schatulle lagen
so darnieder, dass Antonia keine gute
Partie war, außerdem gab es einen
Mangel an Prinzen am Ende der Kriegszeit
und so blieb sie unverheiratet. Sie war
eine vielseitig gebildete, ja gelehrte
Frau, die u.a. auch Hebräisch konnte
und die sich besonders für religiöse
Fragen interessierte. Dazu gehörte
auch die von dem im Pforzheim geborenen
Juristen und Humanisten und Förderer
und Verwandten Melanchthons mitbegründete
christliche Kabbala. Antonia las offensichtlich
die Werke Reuchlins, ihrer Lehrer, darunter
Professoren und Theologen von Rang aus
ganz Württemberg, taten ein Übriges,
Ihr die Inhalte zu erläutern. Zunächst
für ihr privates Appartement im
Alten Schloss in Stuttgart ließ sie
eine Art Altar errichten und ausmalen,
der heute als "Kabbalistische Lehrtafel
der Prinzessin Antonia" immer noch ein
viel diskutiertes Glaubenszeugnis einer
Frau aus dem 17. Jahrhundert ist. Hier
verbindet sich Mytisches und Frühpietistisches
mit Jüdischem, Christlichen und
auch antikem Gedankengut und mit der
Geschichte des württembergischen
Fürstenhauses, da sich unter den
vielen Figuren eine ganze Anzahl von
Porträts der Verwandten und Vorfahren
Antonias entdecken lassen. Zahlreiche
Aufsätze und Bücher entstanden
in den letzten Jahrhunderten über
dieses immer wieder neu faszinierende
Werk. Nachdem sie es etwa zehn Jahre
in ihrem Schlafzimmer zur persönlichen
Erbauung betrachtet hatte, übergab
sie die Lehrtafel der Kirche in Teinach,
wo sie neben Liebenzell immer wieder
mal zu Kur gewesen war. Testamentarisch
bestimmte sie, dass ihr Herz bei der
Lehrtafel in Teinach zu bestatten sei,
ihr Körper kam in den Chor der Stuttgarter
Stiftskirche unter eine Grabplatte, die
Gruft war zu diesem Zeitpunkt voll. Prinzessin
Antonia hatte aus ihrem nicht gerade üppigen
Einkünften nach dem Dreißigjährigen
Krieg an viele württembergische
caritative Einrichtungen Geld oder Sachspenden
gegeben und außerdem das geraubte
Kirchensilber wieder durch ihre Stiftungen
ergänzt, so eben auch in Cannstatt,
wo sie ein Abendmahlsgerät für
die Stadtkirche stiftete. (Noch ein herzliches
Dankeschön an die "Kamerafrau" Carmen
Jud.)
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
Follower dieses Bad-Cannstatt-Vlogs,
die 1875 in der Daimlerstraße (die
damals nach dem regierenden König
Karl-Straße hieß) errichtete
kleine Christuskirche hat eine interessante
Geschichte. Heute dient sie der evangelisch-methodistischen
Gemeinde. 1875 kam der Pastor der britisch-methodistischen
Gemeinde John Cook Barratt (1832-1892)
nach Cannstatt, um hier, in der Kur-
und Industriestadt am Neckar, nahe der
württembergischen Residenz, eine
neue Gemeinde aufzubauen und gleichzeitig
die Leitung aller britisch-methodistischen
Gemeinden im süddeutschen Raum zu übernehmen.
Das Kirchengebäude wurde im britischen
Stil mit gotischen Anklängen errichtet.
Eine ganz ähnliche Kirche steht
im Kurpark von Bad Wildbad. Hier wie
dort findet man eine Wellingtonie, einen
Mammutbaum unmittelbar bei der Kirche,
von König Wilhelm I. in Württemberg
eingeführt. Während das Wildbader
Kirchlein erhalten blieb, wurde die Cannstatter
Kirche bei einem Luftangriff am Ende
des Zweiten Weltkriegs schwer getroffen.
Das Pfarrhaus, das auch der Pastorenausbildung
diente, war komplett zerstört, von
der Kirche, die vor einigen Jahren vorbildlich
renoviert wurde, waren nur die Hauptfassade
und Teile des Chorraums erhalten geblieben.
Hinter dem Chor im Kirchgarten findet
man das Grabmal von John Cook Barratt,
der ursprünglich auf den Uffkirchhof
bestattet wurde.
Liebe Cannstatterinnen und liebe
Cannstatter, liebe Gäste und
Freunde dieses Bad Cannstatt-Vlogs,
dies ist nun schon das 95. Video
in der Reihe, die ich vor über
drei Monaten begonnen habe. Ab
dem 1. Juli sind in Baden-Württemberg
wieder Veranstaltungen mit bis
zu 20 Personen erlaubt, zuvor waren
es für das Land 10, für
die Stadt Stuttgart 20, so dass
meine Führungen (wenn auch
unter Beschränkungen) in Pforzheim
und Bad Cannstatt wieder begonnen
haben. Da ich nun wieder mehr Zeit "auf
der Straße" verbringen werden,
werde ich nur noch zwei Pforzheim-
und zwei Cannstatt-Filme pro Woche
hochstellen, beginnend mit diesem
Wochenende. Bitte haben Sie, habt
Verständnis dafür. Das
heutige Cannstatt-Video führt
uns wieder mal nach "Pensionopolis",
das Kurviertel, das in den 1860er
Jahren den größten Entwicklungsschub
nahm, damals wurde die "Königstraße",
die heutige König-Karl-Straße,
als zentrale Achse angelegt, die
Querstraßen traten rasch
hinzu. Was die Weingärtner-
und Flößertöchter
nicht dringend brauchten, wurde
für die wachsende Cannstatter
Fabrikanten-, Bankiers- und Händlerschichten
ein ab der Mitte des 19. Jahrhunderts
immer drängenderes Bedürfnis, "höhere
Bildung". Wenn auch die privaten
Töchter-Institute, deren es
gleich mehrere in Cannstatt zur
Kurortzeit gab, schon länger
existierten, so gab es doch keine
städtisch getragene Lehranstalt.
Außerdem waren manche Institutsleiter,
wie Professor Karl Kleemann (1816-1871)
mit seiner "Erziehungsanstalt
für Töchter gebildeter
Stände", nicht gewillt, die
Töchter Cannstatter Bürger
aufzunehmen, hatten sie doch "ausländische" Töchter
zwischen 13 und 16 Jahren, deren
Eltern zahlungsfähiger und
-freudiger waren, diese kamen aus
den deutschen Ländern, auch
aus der Schweiz, aus Frankreich
und England, gar aus dem zaristischen
Russland oder den Vereinigten Staaten.
Ende März 1865 schloss Professor
Kleemann seine bisherige Cannstatter
Abteilung, mit der Begründung,
dass das Töchterinstitut der
Schwestern Abele ausreichend genug
sei, was zu einem Skandal führte.
Erzürnte Bürger warfen
die Fensterscheiben seines Internats
ein und beschimpften Kleemann.
Wenige Tage später, Anfang
April 1865, gründeten mehrere
beteiligte Väter ("fast durchweg
Bürger des Mittelstandes")
ein Komitee zur "Gründung
einer neuen Töchterschule",
und pünktlich zum Beginn des
neuen Quartals, am 1. Juli, begann
der Unterricht in einem angemieteten
Haus in der Seelbergstraße.
Eine Aktiengesellschaft wurde gegründet
und so konnte Ecke König Karl-
und Kreuznacher Straße ein
eigenes dreistöckiges Schulhaus
errichtet werden (das Gebäude
wurde im zweiten Weltkrieg zerstört).
Nach kürzester Zeit erwies
es sich als zu klein und ein Ersatzbau
wurde nebenan in der Kreuznacher
Straße Nr. 11 1872 hochgezogen.
Dieses Gebäude, ab 1879 komplett
in städtischer Hand, wurde
mehrfach verändert. Nach dem
Bau der Schillerschule, in das
die "Höhere Töchterschule" 1908
umzog, waren hier eine Handarbeitsschule,
danach die Christian Hiller-Schule
und eine Volksschule untergebracht,
bis vor einigen Jahrzehnten die
Bad Cannstatter Abteilung der Stuttgarter
Volkshochschule einzog.
Wir
sind mal wieder auf dem Cannstatter
Steigfriedhof (vgl. Videos Nr.
36), 41) und 51) auf diesem Bad
Cannstatt-Vlog) und betrachten
zwei Grabgestaltungen, an denen
- zu unterschiedlichen Zeiten
- bedeutende Künstler beteiligt
waren. Das erste Grabmal zeigt
eine kniende Trauernde am Grab,
eine Bronzefigur des Stuttgarter
Künstlers Daniel Stocker
(1865-1957), der ein bedeutender
Bildhauer und Plastiker des Jugendstils
war und von dem noch zahlreiche
Grabanlagen auf Stuttgarter Friedhöfen
erhalten sind. Die Figur ist
am Sockel signiert. Ihre Trauer
ist still und in sich gekehrt,
sie hat die Hände zwischen
die Beine gelegt, der Oberkörper
ist antikisch nackt. Die Oxidation
des Regens hat auf der Bronze
Spuren hinterlassen und "Tränen" ins
Gesicht geschrieben. Die Figur
ist älter als die Erstbestattung
im aktuellen Grab. Mit zehn Jahren
war Andreas Maier 1964 verstorben
und seine Eltern, die hier später
auch bestattet wurden, hatten
sich diese Trauernde Figur, die
auch eine junge Mutter darstellen
kann, die um ihr Kind trauert,
ausgesucht. Bei einer Führung
erzählte man mir, dass dies
ursprünglich das Grab einer
verstorbenen Mutter gewesen sein,
Mathilde Epple, die - um 1930
- vier Kinder hinterließ.
Das zweite Grabmal ist eines
der bekanntesten und auch ältesten
auf dem Steigfriedhof. Es ist
nur wenige Schritte vom ersten
entfernt und mit seinem gelben
Sandstein und seiner antikisierenden
Gestaltung - es könnte auch
an der Via Appia in Rom stehen
- sehr auffällig. Es ist
das Grabmal der 1828 mit 26 Jahren
verstorbenen Cannstatter Fabrikantentochter
Pauline Zais (1802-1828), gestaltet
vom Dannecker-Schüler und
Klassizisten Theodor (von) Wagner
(1800-1880), einem Stuttgarter
Bildhauer und auch Professor
der Bildhauerkunst, der von 1814
bis 1823 in Johann Heinrich Danneckers
Stuttgarter Atelier lernte und
arbeitete. Danach ging er nach
Rom, dem "Mekka" der Klassizisten,
wo er unter der Leitung von Bertel
Thorvaldsen die Marmorstatue
des Hl. Lukas für die Grabkapelle
auf dem Württemberg schuf,
die für die 1819 verstorbene
Königin Katharina von Württemberg
im Auftrag König Wilhelms
I. errichtet wurde. Von Theodor
Wagner stammen auch die Musen
am Wilhelma-Theater (vgl. Video
Nr. 10) auf diesem Cannstatt-Vlog)
und die Reliefs an der Jubiläumssäule
auf dem Stuttgarter Schlossplatz,
sowie badende Nymphen in Schloss
Rosenstein. Der Vater von Pauline
Zais, Wilhelm Zais - dieser war
auch der Landtagsabgeordnete
(nicht der Bruder, wie ich im
Video vermutete), hatte 1802,
als einer der ersten Fabrikanten
in Cannstatt, eine - durch die
Kriegszeiten - sehr lukrative
Türkisch-Rot-Färberei
gegründet, die erste Garnfärberei
Württembergs. Färberei,
das repräsentative Wohnhaus
(1806 von König Friedrich
I. abgekauft; später das
königliche Landhaus "Bellevue")
und ein parkartiger Garten befanden
sich am Fuß des "Kahlenstein",
wie der Rosenstein noch um 1800
hieß, etwa dort, wo heute
das Wilhelma-Parkhaus steht.
Die genaue Beschreibung des Grabmals
und alle Texte sind dem Video
zu entnehmen.
Zu Wilhelm Zais
(1770-1840) gibt es einen recht
ausführlichen Wikipedia-Eintrag
(https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm...)).
Liebe Cannstatterinnen und Cannstatter,
Freunde dieses Vlogs, auch der heutige
Film führt uns auf dem Steigfriedhof.
Zwei Gräber von zwei bekannten Cannstattern,
der eine starb vor 10, der andere vor
40 Jahren: Dieter Zaiss, der "singende
Weinvogt", und Dr. Hans Bayer, der unter
seinem Künstlernamen "Thaddäus
Troll" als Schriftsteller und in zahlreichen
Schriftsteller-Verbänden Engagierter
zu den populärsten "Schwaben" der
60 bis 80er Jahre zählte. Die ausführliche
Beschreibung zum Video folgt die nächsten
Tage... Olaf Schulze
Liebe
Cannstatterinnen und Cannstatter,
liebe Freunde und Follower dieses
Vlogs,
ich gebe es zu, nach fast
hundert Folgen habe ich ein wenig
geschwächelt, und es hat jetzt
doch recht lange gedauert, bis
der nächste Film hochgestellt
wurde. Meine Führungen haben,
unter Einschränkungen, wieder
begonnen, auch andere Termine häufen
sich, dennoch will ich versuchen,
zwei Filme für Cannstatt pro
Woche hochzustellen. Mal sehen...
Der heutige Film führt uns
in die wenig bekannte Kleemannstraße
zwischen König-Karl-Straße
und der Rückseite des Cannstatter
Bahnhofs. Im Juni fanden dort,
auch im Rahmen der Bauarbeiten
von S21, Abbrucharbeiten statt.
Der im Zweiten Weltkrieg errichtete
Bahnhofsbunker, der bei den häufigen
Luftangriffen, die ab 1943 Stuttgart-Bad
Cannstatt und gerade auch immer
gezielt die Eisenbahnanlagen trafen,
seine Dienste getan hatte. Errichtet
1940/41 im Auftrag der Deutschen
Reichsbahn, war er im wesentlichen
für Bahnreisende und den Werkluftschutz
gedacht und konnte durch einen
Verbindungstunnel von allen Gleisen
mit Bahnsteigen erreicht werden
(vgl. http://www.schutzbauten-stuttgart.de/...
dort
finden Sie auch Innenaufnahmen).
Die Kleemannstraße ist benannt
nach Professor Karl Kleemann, der
ab etwa 1852 bis 1875 ein Töchterinstitut
für Schülerinnen wohlhabender
Familien aus dem In- und Ausland
in Cannstatt betrieb, das einige
Jahre hier ganz in der Nähe
in einem großen Park lag,
als es die König-Karl-Straße
noch nicht gab, aber schon die
Eisenbahn. Die Straße mündet
am einen Ende in die König-Karl-Straße,
dort stoßen wir auf die Eisenbahnüberführung,
die in zwei Etappen kurz vor und
im Ersten Weltkrieg errichtet wurde.
Die beiden Einfahrten sind mit
figürlichem Bauschmuck verziert.
Auf der Seite zum Wilhelmsplatz
sind es die zwei Wappenhaltertiere
Württembergs, auf der Seite
zum Neckar und nach Stuttgart ist
es links das Stuttgarter Wappen,
rechts ein kniender römischer
Soldat, der auf seinem Schild das
Cannstatter Wappen, die Cannstatter
Kanne, hat. Darunter ist eine kriegerische
Szene, wohl die Eroberung Cannstatts
im 1. Jahrhundert n. Chr., dargestellt.
Der Künstler der Reliefs konnte
noch nicht ermittelt werden. Vor
einen Jahren wurden durch Initiative
des Vorstands des Maibaumvereins
Eberhard Köngeter zwei Inschriften
aus Corten-Stahl angebracht, die
Inschrift zur Vereinigung der Städte
Stuttgart und Cannstatt 1905 wurde
durch Pro Alt-Cannstatt gestiftet.
Haben Sie, habt weiterhin gute
Tage
Ihr/Euer Olaf Schulze
Liebe Cannstatter und Cannstatterinnen,
treue Freunde dieses Vlogs, mal wieder
sind wir auf dem Steigfriedhof, diesmal
am Rande des Urnenhains, in der Nähe
des Wärterhäuschens, am Grab
von Karl Epple und seiner zweiten Frau
Berta Epple, nach der eine Schifffahrtsgesellschaft
benannt worden war, die heute noch vielen
Cannstattern und Stuttgartern und Gästen
der Stadt ein Begriff ist. Wer war diese
Frau? Die Frau vom "Kies-Epple", wie
die Einheimischen sagen. Hier ihre Biographie
(in Auszügen, nach dem Text aus der
im Stadtmuseum Bad Cannstatt 2017/2018
und 2019 gezeigten Frauenausstellung, leicht
gekürzt und teilweise ergänzt):
Berta Epple, geb. Steinle Von Gablenberg
nach Bad Cannstatt Synonym für Neckarschifffahrt
Ob Stuttgart am Neckar oder am Nesenbach
liegt, darüber lässt sich streiten.
Tatsache ist, dass erst durch die Vereinigung
von Cannstatt mit Stuttgart 1905 die Landeshauptstadt
mit dem Neckar in Berührung kam. Bis
dahin war der Fluss Lebensader und Wirtschaftsfaktor
für Cannstatt, sowie ein wichtiger
Transportweg. Mit dem Neckar (nicht nur)
in Cannstatt untrennbar verbunden ist der
Name „Berta Epple“ durch die
1956 gegründete „Neckar-Personen-Schifffahrt
Berta Epple“. 40 Jahre lang betrieb
die Firma unter der Abkürzung NPS
auf der Strecke Plochingen-Esslingen-Stuttgart-Ludwigsburg-Marbach-Besigheim-Lauffen-Heilbronn
Personenschiffe. Und eines der Schiffe
trug Berta Epples Namen. Die Namensgeberin
stammte aus einer alten Weingärtnerfamilie,
die in Gablenberg eine Gärtnerei für
Obst und Gemüse führte. Im elterlichen
Betrieb machte Berta Steinle (1906-1965)
die beruflichen Erfahrungen, die auch ihren
späteren Lebensweg mitbestimmten.
So kümmerte sie sich ab etwa Mitte
der 1920er Jahren um die Buchhaltung und
machte als eine der ersten Frauen in Stuttgart
den Führerschein, um die Kunden schnell
und motorisiert beliefern zu können.
1933 heiratete sie den Cannstatter Karl
Epple (1893-1961), der nach der Rückkehr
aus dem Ersten Weltkrieg in seiner Heimatstadt
mit ehemaligen Militärpferden ein
eigenes Fuhrunternehmen gegründet
hatte. Dieser hatte 1930 seine erste Frau
an den Tod verloren und suchte nun - auch
für seine Kinder - eine neue, tatkräftige
Frau an seiner Seite. Zu den Abnehmern
des Pferdemists gehörte auch die Gärtnerei
von Berta Epples Eltern. So lernte sich
das Paar kennen. Neben dem Transportbetrieb
erweiterte sich die Firma im Laufe der
Jahre um Kieswerke an Neckar, Fils und
Rhein, sowie Steinbrüche und einen
Tiefbaubetrieb. Als der Zweite Weltkrieg
ausbrach beschäftigte Karl Epple rund
200 Arbeiter. In der Firma ihres Mannes
spielte Berta Epple eine wichtige Rolle.
Zeitweise fuhr sie sogar monatlich LKW’s,
um an der französischen Küste
bei Brest Kies aus dem Meer zu holen. Aus
der aufgegangenen Kiesgrube Karl Epples
in Neckarnähe war in den 1930er Jahren übrigens
der Max-Eyth-See entstanden. Am erfolgreichen
Wiederaufbau der Firma nach 1945 hatte
Berta Epple bedeutenden Anteil. Als resolut
und tüchtig wird sie beschrieben,
aber auch als sehr sozial eingestellt.
Berta und Karl Epple waren zu einem Unternehmerehepaar
geworden, das weit über Cannstatts
und Stuttgarts Grenzen hinaus einen guten
Ruf hatte. Berta fuhr nun privat und beruflich
BMW. Und so stand ihr Name für die
Personen-Schifffahrt auf dem Neckar. Bei
der Taufe des ersten Schiffes der Flotte
auf dem Namen „Stuttgart“ sprach
Yvonne Klett, die Frau des Oberbürgermeisters,
am 7. März 1957 folgende Verse:
„Epple,
Cannstatt, Neckarkanal
Davon spricht man
schon überall.
Solch schwäb’sche
Unternehmerart
Schuf auch Dich, Schiff,
zu froher Fahrt…“
1997
wurde das Unternehmen an das Ehepaar Thie
verkauft, die es unter dem Namen „Neckar-Käpt’n“ weiterführten,
aber zuletzt, auch die Baustellen rund
um Stuttgart 21 am Neckar an ihrer Anlegestelle,
es immer schwerer hatten, Gäste zu
finden, die Flotte nach und nach verkleinerten.
Nun sind das letzte Schiff und das Party-Floss
in neue Hände übergegangen. Der
Name Berta Epple aber lebt (noch) weiter.
Zu ihren Ehren hat sich eine Musikformation,
die aus der Gruppe „Tango Five“ hervorging,
nach ihr benannt.
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