|
|
Größere Kartenansicht |
Wer wissen möchte wie sich die Stadt Stuttgart die Darstellung der Geschichte des Nationalsozialismus im zukünftigen Stadtmuseum Stuttgart vorstellt:
Am Mittwoch, 21. Juli 2010 um 19:30 Uhr gibt es dazu eine Veranstaltung im Museum Hegel-Haus Stuttgart, Eberhardstr. 53.
Der Eintritt ist kostenlos, eine Anmeldung unter Tel.: 0711 - 216-6191 oder unter poststelle.stadtmuseum (at) stuttgart.de jedoch erwünscht. |
• Sa 17. 07. 2010 - Rathaus Stuttgart: Hearing "Erinnerungsorte in Stuttgart"
Bürger und Experten diskutieren über den Umgang mit der NS-Zeit
• 19.7.2010 Stuttgarter Zeitung: Debatte um NS-Gedenkstätte:
Die Chance, aus Narben zu lernen
. Sonderseite mit Videos und mp3 : www.stuttgart.de/hearing |
Hearing "Erinnerungsorte in Stuttgart" am 17.07.2010
siehe hier >> www.Stuttgart.de/hearing <<
Das Bauvorhaben "Quartier am Karlsplatz" war Auslöser einer Debatte über die Frage, wie in Stuttgart mit Erinnerungsorten umgegangen wird. Gemeinderat und Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart messen der Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus und der Frage, auf welche Weise die Erinnerung an diese Zeit heute vermittelt werden muss, einen hohen Stellenwert bei. Daher findet am Samstag, 17. Juli, von 12 bis 18 Uhr eine Anhörung mit Fachleuten und Bürgern im Großen Sitzungssaal des Rathauses statt.
Die Diskussion im Rathaus
Erik Raidt, veröffentlicht am 19.07.2010 in der Stuttgarter Zeitung
Gedenkstätten
Wie geht man mit den Orten des Naziterrors um? Deutsche Städte haben teilweise ganz unterschiedliche Wege gefunden. Im Rathaus haben sich Experten dieser Frage genähert und Bezüge zu Stuttgart hergestellt. Unter anderem sprachen: Thomas Lutz, der Gedenkstättenreferent der Topographie des Terrors in Berlin, Wolfgang Lorch, der Architekt der Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle in Frankfurt, Thomas Brehm, der in Nürnberg ein Zentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände leitet, sowie Linde Apel von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.
|
Erik Raid
Stuttgart - Wissenschaftler, Leiter von NS-Gedenkstätten, Bürger und Politiker haben am Samstag im Rathaus darüber diskutiert, wie die Zukunft des einstigen Hotels Silber aussehen könnte - jenes Hauses in der Dorotheenstraße 10, in dem im Dritten Reich die Geheime Staatspolizei ihren Sitz hatte und das nun im Zuge der geplanten Bauvorhaben am Karlsplatz abgerissen werden soll. Mehrere Experten und Bürger sprachen sich dafür aus, den "authentischen Ort" zu erhalten und ein Dokumentationszentrum einzurichten. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) lehnt eine Forschungsstätte hingegen ab - im Stuttgarter Gemeinderat befürwortet eine Mehrheit den Abbruch des Gebäudes, mahnt zugleich aber einen angemessenen Gedenkort an."Die Auseinandersetzung mit den Tätern ist enorm wichtig", so Thomas Lutz, der Gedenkstättenreferent der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin. Seine Erfahrung mit den Besuchern zeige: "Das Erschrecken über die Nähe von Demokratie und der Brutalität der Täter verstört. Dieser Umstand bietet viele Ansatzpunkte."
Im Hotel Silber standen während der NS-Zeit die Schreibtische der Täter. Von hier aus wurde unter anderem über die Deportation von Juden aus dem Land in die Vernichtungslager entschieden. Im Rathaus setzte sich die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber erneut nachdrücklich für einen vollständigen Erhalt des Gebäudes ein. "Dieser Ort eignet sich wie kein anderer für ein Informations- und Lernzentrum", so Jörg Klegraf von der Bürgerinitiative, zu der 22 Organisationen gehören. Klegraf skizzierte im Großen Sitzungssaal vor 300 Zuhörern ein Konzept für ein NS-Dokumentationszentrum in Stuttgart: Es könnte unter anderem Neues über die Gewalt gegen Homosexuelle, Sinti und Roma sowie gegen Behinderte ans Tageslicht bringen. "Die Geschichte dieser Opfergruppen ist bisher kaum aufgeklärt." Oberbürgermeister Wolfgang Schuster sagte angesichts des Bauvorhabens am Karlsplatz: "Wir sind hier weder Eigentümer noch Bauherr. Aber die Stadt hat Planungsrecht. Das Hearing markiert einen Anfang der gemeinsamen öffentlichen Debatte."
Dunkle Seite der Geschichte nicht verbauen
Am Karlsplatz wollen das Land und die Firma Breuninger neue Ministerien, ein Hotel sowie Läden und Restaurants bauen. Zuletzt war im Streit um das Hotel Silber mehrfach vom Gegensatz von wirtschaftlichen Interessen auf der einen und dem verantwortungsvollen Umgang mit der Stadtgeschichte auf der anderen Seite die Rede gewesen. Dies widerspreche jedoch ihrer Erfahrung, sagte Linde Apel, die in Hamburg in der Forschungsstelle für Zeitgeschichte arbeitet. "Neue urbane Bauvorhaben lassen sich besser vermarkten, wenn man die dunklen Seiten der Geschichte nicht verbaut", sagte die Wissenschaftlerin und Kuratorin. Apel begleitete in Hamburg die Debatte um einen Bahnhof, von dem zwischen 1940 und 1945 Juden, Sinti und Roma in Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden. Jahrzehntelang spielte dies keine wichtige Rolle in öffentlichen Debatten. "Es war ein aus dem Gedächtnis gefallener Ort in der Stadt", so Apel. Erst von 2004 an wurde heftig über den einstigen Bahnhof diskutiert, von dem nur noch wenige bauliche Reste erhalten sind. Nun soll ein Gedenkort entstehen, mitten in der neuen Hafencity, wo die finanziellen Interessen der Investoren den Charakter des Viertels prägen. "In der Kulturpolitik besteht immer ein Spannungsverhältnis zwischen bürgerschaftlichem Engagement und den Zwängen des Machbaren", sagte in diesem Zusammenhang Micha Brumlik, der die Veranstaltung im Rathaus leitete. "Wichtig ist ein authentischer Ort, der das menschliche Geschichtsbewusstsein anspricht", argumentierte der Erziehungswissenschaftler und langjährige Leiter des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt.
Die Fragen zum Gedenkort sind noch nicht beantwortet
Doch wie authentisch ist das Gebäude in der Dorotheenstraße in seinem Bezug zum Dritten Reich? Auch darüber wurde im Rathaus diskutiert: Ein Restaurator, der im Auftrag des Landes nach Spuren von den einstigen Arrestzellen geforscht hatte, fand nur noch minimale Hinweise. Im Zuge von Sanierungen sei das Kellergeschoss stark verändert worden. Der Architekt Roland Ostertag verwies demgegenüber auf die vergleichsweise geringen Kriegsschäden am Bau. "Dieser ist kein Neubau, es ist der Ort des Schreckens." Ostertag plädierte deshalb für den Erhalt des einstigen Hotels Silber: "Narben erzählen mehr als glatte Haut. Bei einem Abriss würde die Geschichte der Stadt noch ärmer werden." Nach der Sommerpause soll ein Arbeitskreis sich weiter mit der Frage nach einem Gedenkort beschäftigen. An seiner Spitze stehen Roland Müller, der Leiter des Stadtarchivs, und Anja Dauschek, die Leiterin des Planungsstabs für das Stadtmuseum. |
|
|
|